Historical Collection Band 5
wert?“
Giselle hörte das Knarren einer Holzbank, als sich jemand erhob. Dann erklangen schwere Schritte auf dem Steinboden. Große Stiefel füllten ihr Blickfeld aus, und sie wiederstand dem Drang, zurückzuweichen. Er war ihr jetzt so nahe, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte.
„Kopf hoch, Mädchen“, befahl er.
Langsam hob Giselle das Kinn, hielt den Blick jedoch weiterhin gesenkt. Ein überraschtes Raunen lief durch den Raum.
„Habe ich es dir nicht gesagt, Bruder?“, rief Alphonse, der jüngere der beiden Brüder, und ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. „Ist dieses Bauernmädchen nicht eine wirklich außergewöhnliche Schönheit?“
Eustache knurrte etwas, das wohl Zustimmung verheißen sollte, während er sie langsam umkreiste und der Blick seiner eisblauen Augen über die zarten Gesichtszüge dieses Bauernmädchens strich. Die Gerüchte um ihre Schönheit waren nicht übertrieben gewesen. Tatsächlich war sie das wohl schönste Geschöpf, das er jemals gesehen hatte. Lange dunkle Locken wanden sich unter ihrer Haube hervor, fielen ihr über die schmalen Schultern und umrahmten ihr makelloses Gesicht. Ihre Haut war sonnengebräunt, und ein frisches Rosé färbte ihre Wangen, während ein Kranz aus dunklen dichten Wimpern ihre ausdrucksvollen Augen umgab.
„Ohne Frage ein hübscher Anblick, mein Sohn“, räumte der alte Seigneur ein. „Aber dennoch nur eine Bäuerin weit unter deinem Stand.“
Eustache wandte sich abrupt zu seinem Vater um.
„Und?“, fragte er scharf.
Alphonse lachte leise und schlug mit der Hand auf den Tisch. „Lass ihn, Vater“, sagte er noch immer lachend. „Eustache ist entschlossen, die fleischlichen Rechte eines Seigneurs zu genießen. Außerdem ist er so unnachgiebig, dass sich sogar die Adligen ein bisschen vor ihm fürchten.“
Eustache unterdrückte einen Laut der Verachtung. Die Adligen konnten ihm gestohlen bleiben. Tatsächlich war ihre Furcht vor ihm nicht ganz unbegründet. Die meiste Zeit seines Lebens hatte er im Schlamm und Blut der Schlachten verbracht und mit dem Schwert Schneisen in die Reihen seiner Feinde geschlagen. Kämpfen war das Einzige, das er wirklich konnte. Die frivolen Männer und Frauen der vornehmen Gesellschaft langweilten ihn, und ihr Geschnatter war schlimmer als ein kalter Platzregen an einem Februartag in England.
„Na und?“, grollte Eustache. „Was der Adel von mir hält, kümmert mich ebenso wenig wie eure Meinung.“
Überrascht sah Giselle auf, und ihr Blick fiel auf seinen Rücken. Seine mächtige Gestalt füllte ihr ganzes Blickfeld. Beeindruckt musterte sie seine schlanke Taille und seine breiten Schultern. Die Brust wurde ihr eng, als sie zu ihm aufsah, verblüfft von seiner schieren Größe. Beide Söhne des Seigneurs waren große Männer, doch sie ähnelten sich nicht im Mindesten. Während sich bei Alphonse das Gewicht eher in der Körpermitte zu sammeln schien, sodass er den Eindruck eines überreifen Pfirsichs vermittelte, trug Eustache einen mächtigen Schultergürtel über einer muskulösen Brust. Sein Körper war gestählt vom Kampf, und in jeder seiner Bewegungen lag rohe Kraft.
Plötzlich drehte er sich wieder um, und seine eisblauen Augen waren direkt auf sie gerichtet.
Sie erstarrte, als ihr bewusst wurde, dass sie im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stand. Sein durchdringender Blick fesselte sie sofort, ihr Atem ging schneller, und ihr Herz begann, wild zu pochen. Eine raue Schönheit lag in seinen Zügen. Sein Haar war dicht und glänzte golden im Licht der Kerzen. Ein schwacher Bartschatten färbte sein markantes Kinn. Während er mit prüfendem Blick auf sie herabsah, fühlte sie, wie sich Wärme in ihrem Bauch sammelte, ein bisher unbekanntes Verlangen glomm dort auf, und ein Schauer lief ihr über den Rücken.
„Dein Name, Mädchen“, forderte er.
„Ich bin Giselle, mon seigneur “, flüsterte sie mit hämmerndem Herzen.
Eustache legte ihr einen Finger unter das Kinn und hob es an. Ihre Augen waren von einem hellen Graublau. Es war genau die Farbe, die der Kanal an seinem tiefsten Punkt an einem sonnigen Sommertag annahm. Ihre vollen Lippen öffneten sich überrascht, und sein Mundwinkel zuckte in einer Andeutung eines raubtierhaften Lächelns.
„Also gut, Giselle“, erklärte Eustache und beugte sich vor, sodass sein warmer Atem über ihr Gesicht strich, „dann sehen wir uns am Abend deiner Hochzeit wieder.“
Gefangen in seinem durchdringenden Blick, konnte Giselle
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