Historical Collection Band 5
Gedanken wanderten zu seinem neuen Leben im Herrenhaus. Es war unerträglich langweilig, eine nicht endende Kette von fetten Mahlzeiten und nachmittäglichen Ausritten. Das Landleben war so eintönig, und doch schienen sein Vater und sein Bruder zufrieden damit zu sein, ihre Tage in diesem trägen Stumpfsinn zu verbringen. Von plötzlicher Neugierde gepackt, flog sein Blick wieder zu dem schlanken Mädchen an seiner Seite.
„Warum bist du hier?“, fragte er unvermittelt.
Sie sah auf, überrascht, dass er sie angesprochen hatte.
„Ich backe Brot, mon seigneur “, antwortete sie.
„Tust du das jeden Tag?“
„Nein, mon seigneur “, entgegnete sie und verbarg ein Lächeln hinter der Hand. „Nur einmal die Woche.“
„Und an den übrigen Tagen?“, hakte er unwirsch nach.
„Da helfe ich bei der Feldarbeit, kümmere mich um die Tiere, mache Käse, helfe den Stallburschen mit den Pferden …“
„Mit den Pferden?“, unterbrach Eustache sie. „Du hast Umgang mit den Pferden?“
Bevor Giselle antworten konnte, brach ein Tumult bei den Stallungen los, und sie beide wandten sich überrascht um. Dann rannte Giselle los, so schnell sie konnte, direkt auf den Ursprung des Krawalls zu. Unwillkürlich packte Eustache ihren Arm und hielt ihn eisern umklammert, um sie an ihrem selbstmörderischen Vorhaben zu hindern. Sie wurde zurückgerissen, schaffte es dann jedoch, sich aus seinem Griff zu winden. Ohne Rücksicht auf die Folgen rannte sie wieder los.
Denn eine Sache hatte sie sofort gewusst, und dieses Wissen ließ keinen Raum für Vernunft.
Der Junge wird sterben.
Auf der anderen Seite des Hofes umklammerte ein panischer Stalljunge die Zügel eines Hengstes, der aufgebracht umhertänzelte, die Augen in wildem Zorn weit aufgerissen. Das majestätische Tier ragte turmhoch über dem Jungen auf, der bei jedem wütenden Kopfschütteln des Hengstes von den Füßen gehoben wurde. Verzweifelt hob der Junge die Reitpeitsche und versetzte dem Tier einen Schlag auf die Ganaschen.
Zu langsam, dachte Giselle und biss die Zähne aufeinander, während sie auf den Jungen und das Pferd zurannte. Ich muss sie erreichen, bevor …
Genau in diesem Augenblick riss der Hengst dem Jungen mit einem gewaltigen Ruck die Zügel aus den Händen. Der Junge stürzte und schrie auf, als das Tier sich auf die Hinterbeine erhob, um ihn unter seinen unbarmherzigen Hufen zu zermalmen. Im Bruchteil des Augenblicks, als der Hengst über dem Jungen aufragte, warf Giselle sich mit weit ausgebreiteten Armen dazwischen. Der Hengst hielt inne, Giselle begegnete seinem Blick und hielt ihn am Zügel fest.
„Ruhig“, befahl sie mit leiser, beruhigender Stimme. „Ganz ruhig. Hier gibt es keine Gefahr.“
Die Vorderhufe des Pferdes krachten vor ihr auf den Boden, und das Tier tänzelte ein paar Schritte zurück, schnaubend und verwirrt mit dem Kopf schlagend. Giselle atmete langsamer und versuchte, die beruhigende Wirkung auf das Pferd zu übertragen.
„Na komm, mon ami “, schmeichelte sie und streckte langsam die Hand nach den geblähten Nüstern des Tieres aus. „Komm schon. Hab keine Angst.“
Zögernd kam der Hengst näher und senkte den Kopf. Ohne auf die anderen zu achten, sprach Giselle dem Tier leise, tröstende Worte zu, wie einem verängstigten Kind. Schließlich schnaubte der Hengst und drückte die Nase in ihre Handfläche.
„So ist es gut.“
Langsam strich Giselle dem Tier über die Stirn. Mit geübter Hand schloss sie die Finger um das Zaumzeug und trat noch etwas näher an das Pferd heran, um über seinen mächtigen Hals zu streichen. Hinter ihr kämpfte sich der Stalljunge auf die Füße, gerade als Eustache sie erreichte.
„Mon seigneur …“ , begann der Junge entschuldigend, und seine Stimme zitterte vor Angst. „Es tut mir furchtbar leid …“
„Weg von meinem Pferd, Bursche“, bellte Eustache.
Der Junge machte sich schleunigst aus dem Staub und stolperte in seiner Hast über die eigenen Füße. Mit Gewittermiene wandte sich Eustache an Giselle.
„Willst du sterben?“, donnerte er.
„Nein, natürlich nicht, mon seigneur “, entgegnete sie und tätschelte das Pferd.
Eustache packte das Tier am Kinnriemen. Er zog energisch daran, und der Hengst trat gehorsam zu seinem Herrn.
„Dieses Pferd“, erklärte Eustache und verstärkte den Griff um die Zügel, als das Tier wieherte, „ist mein Schlachtross Bayard. Und er ist kein Bauerngaul, der sich von jedem herumführen und tätscheln lässt.“
Bevor
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