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Historical Collection Band 5

Historical Collection Band 5

Titel: Historical Collection Band 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda McCabe , Linda Skye , Marguerite Kaye , Margaret Moore , Jeannie Lin
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überstehen würde, er war so zart, dass er beinahe feminin wirkte. Er näherte sich dem Burschen und beobachtete ihn bei der Arbeit.
    Doch als er nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte die zierliche Gestalt bei seinem Pferd mit offenem Mund an. Der Junge summte leise, während er Bayard striegelte.
    Ich kenne diese Melodie.
    Seine Bürstenstriche waren lang, gleichmäßig und anmutig.
    Ich kenne diesen Rhythmus.
    Mit zwei schnellen Schritten war er bei dem Jungen. Dann packte er ihn an der Schulter, wirbelte ihn zu sich herum und drückte ihn gegen die Flanke des Hengstes. Der Pferdeknecht hatte graublaue Augen und dichtes, kurzgeschnittenes Haar. Sein Hals war lang und grazil, seine Schultern waren schmal und seine Taille war schlank. Offen erwiderte er Eustaches Blick.
    „Du“, stieß Eustache hervor.
    Der Junge  – nein, die Frau – lächelte, und ein schelmisches Funkeln blitzte in ihren Augen.
    „Ja.“ Ihre Stimme war melodisch, glockenhell und schmerzlich vertraut. „Ich bin es.“
    „Warum?“, fragte er fassungslos vor Schreck. „Warum hast du das nur getan, Giselle?“
    „Gerard“, verbesserte sie und tätschelte ihm die Wange. „Ich heiße jetzt Gerard und ich bin dein Pferdeknappe.“
    Er schüttelte sie leicht.
    „Du kleine Närrin“, grollte er voller Wärme. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wohin du gehst?“
    „Ja“, erwiderte sie selbstbewusst. „Ich gehe mit dir .“
    „Das ist doch verrückt“, rief er, doch er schlang ihr bereits den Arm um die Taille. „Verrückt. Was hast du dir bloß dabei gedacht?“
    „Für meine Eltern ist gesorgt, und auf dem Gut gibt es keine Aufgabe mehr für mich“, keuchte sie zwischen heißen, innigen Küssen.
    „Und da dachtest du, ich würde dich einfach so mitnehmen?“, fragte er, und seine Stimme klang zugleich zornig und resigniert, während er mit der Hand unter ihr Knie griff und ihr Bein um seine Taille schlang.
    „Hast du denn einen besseren Pferdeknecht als mich?“
    Eustache lehnte sich ein Stück zurück und blickte finster auf sie hinab, doch sein Zorn war bereits verraucht.
    „Nein, du bist mit absoluter Sicherheit der beste Pferdeknecht weit und breit“, räumte er ein. „Aber ich werde ab und zu ein Wörtchen mit dir zu reden haben, in meinem Zelt – wo uns niemand sieht.“
    Giselle lächelte ihn aufreizend an.
    „Allein?“
    „Ja, allein“, sagte er. „Und dann werde ich dich bei deinem wahren Namen nennen, und wir werden ja sehen, ob du mit einem Mann ebenso gut umgehen kannst wie mit einem Pferd.“
    Wieder lächelte sie, und ihre hellen Augen waren unverwandt auf ihn gerichtet. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er besiegt war, und willig überließ er sich ihrer süßen Verführung. Er erwiderte ihr Lächeln. Giselle neigte den Kopf, sank in einen leichten Knicks und lachte fröhlich.
    „Oui, mon seigneur.“
    – ENDE –

Verführung im Lotuspavillon

1. KAPITEL
    Tang-Dynastie, China, 823 n. Chr.
    L uo Cheng wandte sich ab von dem vielstimmigen Lärm und den leuchtendroten Laternen, die über dem Eingang des Trinkhauses schaukelten. Seine Gefährten bedrängten ihn gutmütig, bei ihnen in der geselligen Runde zu bleiben. Sie waren Scholaren wie er und studierten die Wissenschaften. Jedoch wandte er ihnen den Rücken zu und entfernte sich von ihnen. Sie riefen ihm hinterher, doch bald konnte er ihre Stimmen kaum noch ausmachen inmitten der Geräusche des Zechgelages und des lauten Gelächters, und sie wurden immer leiser.
    Wie schafften es seine Scholaren-Kollegen eigentlich, die ganze Nacht auszugehen und zu trinken – und das jeden Abend – und dennoch zu erwarten, dass sie das kaiserliche Examen bestehen würden? Er war in den letzten drei Tagen jeden Morgen mit dem Gesicht in einem Buch aufgewacht, weil er über einer weiteren Abhandlung zu Staatskunst und Pflichterfüllung eingeschlafen war. Und davon gab es, weiß der Himmel, mehr als genug in China. Das Kaiserreich verfügte über eine Fülle von Papier, und die Politiker und Beamten waren eifrig bestrebt, jedes einzelne Blatt davon vollzuschreiben.
    Cheng war jetzt fünfundzwanzig und längst nicht mehr das Wunderkind, als das er früher einmal vom einheimischen Magistrat gegenüber seinen einflussreichen Vorgesetzten gerühmt worden war. Jeder Mann, ganz gleich wie niedrig von Geburt, konnte ein hohes Amt erlangen, wenn er die Beamtenprüfungen bestand. Die Hoffnungen seines gesamten

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