Historical Collection Band 5
befanden sich in einer hölzernen Truhe. Sie blätterte ein Buch durch, das sie dort gefunden hatte, und blinzelte, um in dem schlechten Licht die Schriftzeichen besser erkennen zu können. Es war nicht das, was sie suchte.
Der Scholar musste das Tagebuch bei sich getragen haben, nachdem er es aus der Pagode mitgenommen hatte. Sie schloss den Truhendeckel und wollte sich leise aus dem Zimmer schleichen, als es an der Tür polterte.
Tod und Vernichtung , er sollte eigentlich jetzt noch nicht nach Hause kommen!
Sie sah sich fieberhaft links und rechts nach einem Versteck um. Vergeblich. Sie hatte alles in dieser Behausung untersucht – sie war so karg eingerichtet wie eine Mönchszelle.
Ob sie wohl einfach wegrennen konnte? An ihm vorbei stürmen, sobald er die Tür öffnete, und darauf hoffen, dass er völlig überrascht war und nicht die Stadtwache herbeirief?
Dieser Plan war undurchführbar, wie sie gleich merkte, als die Tür offen war. Der unglückselige Scholar stand dort und blockierte die gesamte Türöffnung mit seinen Schultern, die so breit waren wie die eines Ochsen. Jia stand regungslos neben dem Bett, als er mit dem Fuß die Tür zustieß. Der Türrahmen schepperte von der Wucht dieses Tritts.
Vielleicht hatte sie Glück, und er war betrunken, dann konnte sie doch noch weglaufen.
„Was …? Wer ist da?“, verlangte er zu wissen. Seine Gestalt schien gewaltig aufzuragen in der Dunkelheit. Jias Kehle wurde eng vor Angst. Der Scholar war viel größer und breiter, als man ihn ihr beschrieben hatte, und er war offensichtlich wütend.
„Ehrenwerter Herr“, begann sie, wobei sie mit ihrer Stimme den Singsang der Kurtisanen nachahmte, den sie so oft gehört hatte. Angeblich wurden davon erhitzte Gemüter beschwichtigt und männliche Egos gestreichelt. Aber sie war nicht gut darin. „Ihr guter Freund dachte, Ihr hättet vielleicht gern etwas Gesellschaft.“
„Freund?“
Er hörte sich an, als hätte er einen klaren Kopf und wäre nicht betrunken, was ein unglücklicher Umstand für sie war. Sie wusste nicht, wie sie hier wieder heil herauskommen sollte.
„Welcher Freund?“
„Li“, antwortete sie zögernd.
Er trat näher und beschäftigte sich mit etwas am Schreibtisch an der gegenüberliegenden Wand. Sie holte tief Luft und versuchte, sich vom Bett wegzuschleichen, aber plötzlich stand er genau vor ihr, eine flackernde Lampe in der Hand.
Ein blassgelber Lichtschein erfüllte das kleine Zimmer und umhüllte sie beide. Seine Gesichtszüge waren breit und kantig, nicht wie die der anderen bleichen Scholaren, an deren Anblick sie gewöhnt war. Unter dem linken Auge schien seine Wange geschwollen zu sein. Er war zu groß, der Raum war zu klein, und beim Grab ihrer Mutter , er hatte sie gesehen!
„Li?“, meinte er spöttisch. „Li hasst mich.“
Sie sprach sehr schnell. „Dann habe ich mich wohl geirrt. Es muss ein Scherz gewesen sein. Lebt wohl.“
Ihr Versuch, an ihm vorbeizuschlüpfen, wurde wieder vereitelt, als er sich zu ihr vorbeugte, um sie genauer anzuschauen. Er wirkte eigentlich nicht sehr bedrohlich auf sie, nur stand er ihr so nah, dass sie kaum atmen konnte.
„Wie heißt Ihr?“, fragte er.
Ihr Name. Sie brauchte einen Namen, irgendeinen fantasievollen Kurtisanennamen. Vielleicht eine Blume? So etwas war immer beliebt.
„Rose.“ Sie krümmte sich innerlich, denn sie fand es einfach schrecklich.
„Rose.“
Er sah sie forschend an, und ein Funke von Interesse leuchtete in seinen Augen auf, wurde aber sofort von einem finsteren Blick vertrieben. „Ja, ein Scherz. Die sind alle so furchtbar schlau.“
Sein Ton ließ erkennen, dass er nicht zum ersten Mal das Opfer eines solchen Scherzes geworden war.
„Es tut mir leid“, fuhr er fort, „Ich habe kein … ich kann Euch nicht entlohnen.“
Plötzlich überlief es sie siedend heiß, und sie errötete heftig, bevor sie eine Antwort stammeln konnte: „Oh nein, Ihr … müsst nicht bezahlen.“ Ihr wurde bewusst, dass man ihre Absichten missverstehen konnte, und ihre Röte vertiefte sich. „Nein, ich meine …“
Er schaute weg, aber vorher taxierte er sie kurz mit seinem Blick. Er hob eine Hand und kratzte sich nervös die Wange, aber es war zu spät. Sie hatte schon gesehen, wie sich seine Pupillen interessiert geweitet hatten.
Unerträglicher Bastard.
Sie wurde wütend, dann beschämt, dann wieder wütend, doch sie ignorierte die Tatsache, dass sie selbst mit ihrer List das Missverständnis herbeigeführt
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