Historical Collection Band 5
viel Geld und Einfluss. Er sprach von nichts anderem.
Cheng konnte nicht zulassen, dass sich Rose allein in Guos Zimmer schlich. Eine kleine Musikantin riskierte gebrochene Hände für den Versuch, jemanden von Guos Rang zu bestehlen. Die Worte kamen aus Chengs Mund, bevor sein Verstand einsetzte.
„Ich werde es Euch zeigen.“
Am selben Abend traf sie sich mit Cheng vor dessen Wohnung. Der Mond stand hoch und rund am Himmel und hatte diesen gewissen blassen, herbstlichen Schimmer, der die Scholaren dazu brachte, Gedichte zu rezitieren. Jia trug noch ihre Pipa in der Hand, weil sie geradewegs von ihrem letzten Auftritt kam. Cheng wartete am vorderen Tor, das zum Innenhof führte. Der Hof wurde auf drei Seiten von Mauern umschlossen, die von den drei Flügeln des Gebäudes gebildet wurden, in denen sich jeweils mehrere Privatwohnungen befanden. Hoffnungsvolle Scholaren in den Prüfungsvorbereitungen wohnten in solchen Gebäuden. Es gab diese Wohnungen überall in der Stadt, und man zahlte eine monatliche Miete dafür. Jahr für Jahr kamen und gingen neue Studenten. Jia fragte sich, was ohne die vielen Scholaren, die in den Trinkhäusern und Teestuben ihr Geld ausgaben, aus der kaiserlichen Hauptstadt werden würde.
Cheng hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet und sah nach oben zum Himmel. Was hatte eigentlich der Mond so Besonderes für die Scholaren?
Er musste ihre Schritte gehört haben, denn er drehte sich sofort um, als sie in den Hof trat. Mit einem langen Blick betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Sie trug ihr volles Kostüm. Das Gewand war türkisfarben und mit Lilien an den Rändern bestickt. Die glänzende Seide floss wie ein Wasserfall an ihrer Figur herab. Das Haar war aufgerollt und festgesteckt, ihre Lippen rot geschminkt.
„Ihr seht besonders schön aus heute Abend.“
Männer waren so vorhersehbar. „Ihr Scholaren mit euren honigsüßen Worten“, meinte sie spöttisch. Cheng überraschte sie, indem er lächelte. „Ich habe doch noch nicht einmal begonnen, meine Poesie an Euch zu verschwenden.“
„Schon gut, ich habe nicht viel Zeit“, sagte sie mürrisch, aber zu ihrem eigenen Erstaunen fühlte sie Freude wie eine kleine Blase in sich aufsteigen.
Sie waren für die erste Stunde verabredet, die Stunde der Ratte. Es war spät in der Nacht, aber noch früh für die Nachtschwärmer im Distrikt. Sie hatte auf einer Festlichkeit für einen mittleren Beamten am Seeufer gespielt, doch sie hatte früher gehen und all die schönen Münzen dort zurücklassen müssen. Aber nach dem heutigen Abend wäre das nicht mehr wichtig.
„Wo ist meine Tasche?“, fragte er.
„Wenn ich Xue Lins Tagebuch habe.“
Er zuckte die Achseln und ging voran in den Hof. Sie stoppte, als er sie hinter die Zweige einer großen Topfpflanze in einer Ecke führte. Was für einen Unfug hatte er sich nun wieder ausgedacht? Sie umfasste fest den Hals ihrer Pipa. Damit würde sie ihn über den Kopf schlagen, wenn er auf falsche Ideen kam. Obwohl ihr Instrument einen Mann seiner Größe natürlich nicht lange aufhalten konnte, und wenn sie es zerbrach, wuchsen ihre Schulden um mehrere weitere Hundert an.
„Wir wollten doch das Buch holen“, protestierte sie.
Er blieb in respektvollem Abstand von ihr stehen. „Guo wohnt dort drüben.“ Er zeigte auf eine Tür auf der anderen Seite des Innenhofs. „Ihr wart gar nicht so weit davon entfernt, als Ihr in mein Zimmer spaziert seid.“
„Ist er wohl zu Hause?“
„Um diese Zeit?“, meinte Cheng spöttisch. „Guos Abend hat gerade erst begonnen. Er wird noch stundenlang fort sein. Ihr bleibt besser hier draußen.“
„Wartet.“ Sie hielt ihn am Ärmel fest, als er zu der Tür gehen wollte. „Wollt Ihr allein dort hinein?“
„Wenn man mich erwischt, kann ich jederzeit sagen, dass ich betrunken in das falsche Zimmer gegangen bin.“ Seine Mundwinkel zuckten, als er sie ansah. „Eure Anwesenheit wäre wesentlich schwieriger zu erklären.“
Sie konnte die Schwellung unter seinem Auge sehen, die jetzt noch schlimmer aussah als heute Morgen. Er musste einen ziemlich heftigen Schlag ins Gesicht bekommen haben.
Irgendetwas fühlte sich falsch an. Warum hatte sich Cheng überhaupt bereit erklärt, ihr zu helfen?
„Haltet hier draußen die Augen auf“, sagte er.
Sie zog sich in die Ecke hinter dem Gesträuch zurück, und Cheng überquerte den Innenhof. Nur einen kurzen Augenblick, dann verschwand er durch die Tür nach drinnen. Keine Türschlösser. Sie waren
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