Historical Exclusiv 45
wir beide teilen. Ich weiß sehr genau von den Lügen, die unser Vater über mich verbreitet hatte. Zum Glück hat Euch beides nicht abgeschreckt, weder die Lügen noch die Erinnerungen, die Ihr an diesen Ort haben müsst.“
Er ließ seinen Blick durch das Gemach schweifen, bevor er wieder zu Yves sah. Sein Ausdruck war düster. „Es dauerte eine lange Zeit, bis ich die finsteren Erinnerungen bannen und Sayerne wieder als mein Zuhause betrachten konnte. Ich möchte, dass das bei Euch auch so ist.“
Während Yves sich bemühte, die überraschenden Worte seines Bruders zu begreifen, stellte Quinn seinen Becher beiseite und bot ihm die Hand. „Willkommen zu Hause, Yves. Willkommen daheim auf Sayerne.“
St. Roux starrte die Hand seines Bruders einen Augenblick an, ehe er sie schüttelte. Als er den ehrlichen Griff des Mannes spürte, da wusste er, dass zumindest ein Spuk der Vergangenheit sich in harmlosen Rauch aufgelöst hatte.
„Seht“, sagte Melissande, und ihre Rückkehr ließ beide Männer aufblicken. „Was ist damit?“ Sie durchquerte das Gemach, ein schlummerndes Kleinkind auf der Schulter. In ihrer freien Hand hielt sie ein kleines, mit karminrotem Samt umwickeltes, verschnürtes Päckchen, das sie ihrem Gemahl gab.
„Das hatte ich ganz vergessen“, gab Quinn zu und stand auf. Er hob das schlummernde Kind aus den Armen seines Weibes, dann nahm er das Päckchen und reichte es seinem Bruder. „Dies gehört rechtmäßig Euch.“
Saint-Roux nahm es entgegen und blickte fragend zu Quinn und dessen Gemahlin, die ihm beide gleichzeitig bedeuteten, es zu öffnen.
„Wir haben es in einer Schatulle gefunden“, vertraute ihm Melissande an. „Diese Burg war in einem entsetzlichen Zustand, und ich war mir sicher, dass sich in diesen Mauern nichts von Wert befand. Es war nichts da, bis auf das.“
Sie ließ sich vorsichtig auf den Stuhl nieder und griff nach den Feigen. „Quinn dachte, dass Ihr eines Tages hierher zurückkehren würdet, deshalb haben wir es für Euch aufgehoben.“
Überrascht sank Yves auf den Stuhl. Er war sicher gewesen, dass es nichts für ihn gab hier in Sayerne, und zum zweiten Mal in kurzer Zeit hatte er sich geirrt. Er löste die Schnur, und ein kleines silbernes Ding rollte in seine Handfläche.
Es war ein Ring. Der Ring einer Dame, der Größe nach. Er betrachtete ihn näher und sah, dass Worte eingraviert waren.
Mon seul désir , las er.
Für meine einzige Sehnsucht.
Yves sah zu seinen Gastgebern, er war nicht sicher, was das Geschenk zu bedeuten hatte.
„Es scheint, als sei dies das einzige Schmuckstück gewesen, das Eglantine getragen hat“, vertraute Quinn seinem Bruder an, dem das Herz bei diesem wohlbekannten Namen stehen zu bleiben drohte. „Ich gebe Euch die Schriftrolle, die dabei war. Darin wird erzählt, wie Eglantine starb, als sie Jerome einen Sohn gebar.“
Eglantine. Ihr Ring brannte in Yves Handfläche.
„Das Dokument ist nicht leicht zu lesen.“ Quinn runzelte die Stirn. „Der Schreiber war sehr voreingenommen, was die Geburt außerehelicher Kinder betrifft, gar nicht zu reden von deren Müttern.“
Er räusperte sich, um seinem Bruder zu sagen, was dieser bereits vermutete. „Ich bin mir absolut sicher, dass dieser Ring Eurer Mutter gehörte“, schloss Quinn.
Der Ring hatte die Hand seiner Mutter, die er niemals gekannt hatte, geziert. Yves fühlte, wie seine Kehle wie zugeschnürt war, als er die zierliche Schönheit des Ringes bestaunte. Er hatte niemals ein Erinnerungsstück an seine Mutter besessen, nicht einmal einen Hinweis, was für eine Frau sie gewesen war. Er wusste auch nichts von ihrem Aussehen, doch dieser Ring, den er nun in der Hand hielt, hatte einst ihren Finger geschmückt.
Für meine einzige Sehnsucht.
Er fragte sich, was seiner Mutter einzige Sehnsucht gewesen sein mochte. Wünschte sie sich einen gesunden Sohn?
Yves dachte plötzlich an Gabrielle und ihre Entschlossenheit, mit der sie Thomas befreien wollte.
Sie war eine Frau, die wusste, wonach sie sich sehnte, eine Frau, entschlossen ihren Sohn zu befreien, gleichgültig um welchen Preis. Er fragte sich, ob Gabrielle und seine Mutter einander ähnlich waren.
Als er daran dachte, musste er lächeln. Er strich mit dem Finger über den silbernen Ring, und mit einem Male wusste er, was er mit diesem Erinnerungsgeschenk tun wollte.
Er wollte diesen Ring Gabrielle an den Finger stecken, sobald Philippe de Trevaine keinen Atemzug mehr tat. Das war der Ring, der ihre
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