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Historical Exclusiv 45

Historical Exclusiv 45

Titel: Historical Exclusiv 45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Byrne , Claire Delacroix
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stehen, seine grauen Augen glitzerten im Sonnenlicht. Rorik, der sie geneckt hatte, mit ihr gescherzt und gestritten hatte, der sie begehrte.
    Schon während der Fahrt hatte sie gewusst, dass er ihr Schicksal, ihre Zukunft war. Wenn sie gleich zu Beginn auf ihr Herz gehört hätte, wüsste sie jetzt vielleicht, wie sie sich verhalten sollte. Aber was wusste sie schon über die Liebe? Ihre Erfahrung in dieser Hinsicht beschränkte sich auf Jungmädchenträume, die ihr in einer grausamen Ehe jäh entrissen worden waren, in der sie ein Schattendasein geführt hatte, leer und ohne Gefühle – bis plötzlich ein heidnischer Seeräuber aufgetaucht war und ihr Leben von oben nach unten gekehrt hatte. Und damit hatte er ihr mehr gegeben als jeder andere Mann. Aufmerksamkeit, Anerkennung und die Verheißung der Leidenschaft.
    Während sie, die behauptete, ihn zu lieben, ihm alles versagte.
    Yvaines Schritte wurden langsamer. Hatte Liebe nicht mit Geben zu tun? Sie aber fürchtete sich zu geben, stellte sozusagen eine Rechnung auf, was sie für ihre Liebe bekommen würde.
    Ein dumpfes Geräusch riss sie aus ihren Grübeleien. Als sie erschrocken aufblickte, sah sie, wie ein kleines Boot am Steg anlegte. Die Gestalt, die dem Kahn entstieg, verdrängte alle wirren Fragen nach Geben und Nehmen. Sie trug einen bodenlangen blauen Kapuzenumhang, bestickt mit fremdartigen Symbolen und Mustern, unter dem verschnürte Stiefel aus Kalbfell sichtbar wurden. An den Enden der Verschnürungen hingen Metallkügelchen, die mit jedem Schritt der wunderlichen Erscheinung ein melodisches Klimpern erzeugten.
    Gebannt starrte Yvaine auf das klingende Schuhwerk, ehe sie den Blick davon losreißen konnte. Als Nächstes sah sie Hände in Pelzhandschuhen, die aussahen wie Tierklauen. Eine Klaue trug einen Lederbeutel, die andere hielt einen langen Holzstab, der von einer glänzenden Messingkugel gekrönt war. Über der Kugel, in einem zerknitterten Gesicht, blickte sie in dunkelblaue Augen, die sie mit wachem Interesse und unverhohlener Heiterkeit musterten.
    „Aha! Das goldene Kind, das ich in den Flammen sah. Gut. Ich komme rechtzeitig.“
    Die Stimme der seltsamen Erscheinung war tief, melodisch, weiblich und unerwartet freundlich. Sie ließ den Lederbeutel unter ihrem Umhang verschwinden, streckte die Hand aus und berührte sanft ihre Schulter.
    Yvaine ahnte, wer die Besucherin war, beäugte die pelzige Hand argwöhnisch und wich einen Schritt zurück.
    „Hast du Angst vor mir, Kleine? Dafür besteht kein Grund.“ Die Frau lächelte. „Ich bin Katja, die nur Gutes vorhersagt. Was aber dich betrifft …“, ihr Lächeln schwand, während sie Yvaine eingehend musterte, „… dir sage ich die Wahrheit, wenn sie mir gezeigt wird. Ich muss dich warnen.“
    „Bist du die Hexe, von der Rorik mir erzählt hat?“, platzte Yvaine heraus. „Ich muss dir widersprechen. Du kommst nicht rechtzeitig, sondern reichlich spät. Nicht, dass deine Warnungen mir geholfen hätten.“
    Katja lachte. „Ich sehe die Zukunft, Kind, nicht die Vergangenheit. Darüber reden wir später. Ich habe eine weite Reise hinter mir. In diesem Haus wurde ich stets mit gutem Essen und süßem Wein bewirtet. Ich hoffe, daran hat sich nichts geändert.“
    „Wohl kaum“, murmelte Yvaine, verlegen wegen ihres unhöflichen Ausbruchs, und bemühte sich um ein Lächeln. „Verzeih, wenn ich dich nicht gebührend begrüßt habe. Ich fürchte, in England sind wir nicht daran gewöhnt, dass … ähm … Hexen bei uns reinschauen.“
    Katja lachte wieder, während sie gemeinsam über die Wiese zum Haus gingen. „England! Das erklärt die Reise, die ich sah, aber da war noch mehr. Aber sei’s drum. Solche Dinge zeigen sich, wenn die Zeit reif ist.“
    „Hm.“ Yvaine fand die rätselhaften Andeutungen nicht unbedingt beruhigend. Sie suchte nach einem unverfänglichen Thema, als Anna aus dem Haus trat, kurz zögerte und den beiden Frauen entgegenlief.
    „Es ist etwas geschehen“, rief sie schon von weitem.
    „Der Jarl“, sagte Katja leise. „Heute Nacht werden die Nornen seinen Lebensfaden durchtrennen.“
    Yvaine warf ihr einen scharfen Blick zu, doch bevor sie etwas sagen konnte, war Anna bei ihnen angelangt.
    „Lady, den Heiligen sei Dank, dass Ihr nicht weit gegangen seid. Es geht um Roriks Vater. Er redete mit Rorik, und plötzlich umnachtete sich sein Geist. Rorik brachte ihn ins Bett. Seither stammelt er unverständliches Zeug und wirft sich unruhig im Bett herum.

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