Historical Exclusiv 45
ein großes Ereignis“, sagte Yvaine.
„Egil sprach nie darüber. Als er Rorik nach Einervik brachte, präsentierte Egil ihn als Sohn einer Frau, die er auf seinen Fahrten kennen gelernt und geheiratet und bei ihrer Sippe zurückgelassen hatte, da er noch nicht bereit war, sich endgültig niederzulassen. Als Alicia schwanger wurde, brachte er sie zu einem abgelegenen Gehöft, wo du später von Pflegeeltern betreut wurdest, bis du alt genug warst, um an der Adoptionsfeier teilzunehmen.“
„Wäre es nicht einfacher gewesen, meine Mutter zu heiraten?“, fragte Rorik spöttisch. „Noch dazu, wenn Egil sie gern hatte, wie er behauptete.“
Thorkill schob die Unterlippe vor. „Darauf weiß ich keine Antwort. Sie war Engländerin und eine Sklavin. Egil war ein stolzer Mann und sich der Würde seiner hohen Stellung als Jarl sehr bewusst. Aber dann gebar sie ihm einen Sohn. Ich glaube, er war selbst erstaunt über seine väterlichen Gefühle für dich. Jedenfalls ging er seit deiner Geburt nie wieder auf Plünderfahrt.“
„Leider zu spät für meine Mutter.“
„Ja. Aber du darfst nicht vergessen, dass wir damals mit England im Krieg lagen. Bei den Göttern! In Norwegen hat es uns immer an Land gefehlt und vor unserer Nase lag England, geteilt in zwei Königreiche, die gegeneinander Krieg führten. Und bei Odins Bart, wir waren siegreich!“, fügte er hinzu und hob den Becher in Erinnerung an jene längst vergangenen Zeiten. „Im Jahr deiner Geburt regierte ein Normanne im Norden der Stadt Jorvik, die früher York genannt wurde. Nur Alfred of Wessex hielt unseren Angriffen stand. Ein großer Krieger. Ein großer König. Und du brauchst mich nicht an Sitric zu erinnern.“
„Das hatte ich nicht vor“, murmelte Rorik. „Wie könnte ich so unhöflich meinem Gastgeber gegenüber sein?“
„Ich glaube, dich hält nur der Gedanke an meine alten Knochen davon ab“, lachte Thorkill. „Ja, meine Knochen sind müde.“ Er stand auf und streckte sich. „In den Sommermonaten schlafe ich im Freien“, verkündete er mit einem verschmitzten Augenzwinkern. „Das hält mich jung. Ihr habt also die Hütte für euch.“
Bevor seine Gäste widersprechen konnten, warf er sich ein Bärenfell über die Schultern und ging.
„Glaubt er tatsächlich, dass die Nachtkälte ihn jung hält?“, murmelte Yvaine, plötzlich befangen über das jähe Ende des Abends. Sie hatte nicht erwartet, mit Rorik allein zu sein, und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte …
„Möchtest du lieber allein schlafen?“, fragte er leise und stand auf.
„Nein“, flüsterte sie, nahm all ihren Mut zusammen und blickte zu ihm auf. „Ich möchte mit dir zusammen sein.“
Sie zweifelte, ob er begriff, was sie damit meinte, konnte aber in seinen Augen nichts lesen. Er nickte und ging zur Tür.
„Ich bin gleich zurück“, sagte er knapp. „Ich habe noch ein paar Fragen an Thorkill.“
Wenigstens hat er sich nicht geweigert, in einem Raum mit mir die Nacht zu verbringen, sprach Yvaine sich Mut zu, als er die Tür hinter sich schloss.
Sie breitete ein paar Felle auf dem Lehmboden aus und begann, die Spangen ihrer Tunika zu öffnen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals bei dem Gedanken, Rorik zu verführen, wenn sie sich nackt ans Feuer setzte – obwohl das offene Haar ihre Blößen bis zu den Hüften bedeckte. Und ein Satz bestätigte sie in ihrem Vorhaben. Ein Kosewort, das er möglicherweise ohne Absicht ausgesprochen hatte. Ein Runenstein, Liebste.
Ein einziges Wort nährte ihre Hoffnung, er könne seine Meinung ändern und sie nicht nach England bringen. Ein süßes Wort, das ihr den Mut gab herauszufinden, ob er sie immer noch begehrte. An nichts anderes konnte sie mehr denken.
Rorik schloss die Tür leise hinter sich, hob den Kopf und blieb wie angewurzelt stehen. Sogar sein Herz hörte auf zu schlagen.
Sie saß am Feuer, kämmte ihr Haar, die nackten Beine seitlich eingeschlagen. Die honigfarbene Lockenpracht ergoss sich über ihre Schultern wie ein seidener Vorhang, teilte sich flüchtig mit der Bewegung ihres Armes und gewährte ihm qualvolle Einblicke auf die Rundung ihrer Hüfte und den anmutigen Schwung ihres Rückens.
Beim Geräusch an der Tür wandte sie ihm ihr Gesicht zu mit großen rätselhaften Augen, und hinter den Schatten glaubte er, eine scheue Sehnsucht zu erkennen.
Beinahe wie beim ersten Mal, dachte er. Doch diesmal war sie nicht verletzt. Und diesmal würde er sie nicht als Gefangene entführen.
Und wenn
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