Historical Exclusiv 45
angeeignet und alle, die von dem Stein wussten, zum Schweigen gebracht hat, hättest du mit Sicherheit nur die rauchenden Ruinen von Thorkills Hütte in den Bergen gefunden. Und was Ingerd betrifft, wer könnte beschwören, das Blut und der Riss in ihrem Gewand stammten nicht von ihrem Sturz auf dem Abhang, bevor sie ins Wasser fiel?“
„Nein, aber … Verdammt, Rorik, wieso waren die zwei davon überzeugt, dich so leicht umbringen zu können? Es sieht Othar ähnlich, überstürzt zu handeln. Aber Gunhild hätte ich mehr Besonnenheit zugetraut.“
„Mich interessiert eigentlich mehr, wieso sie nicht geblieben ist, um in ihrer Unverfrorenheit alle weiteren Tatsachen zu verdrehen. Wären wir nicht zurückgekommen, hätte ihr Plan funktioniert. Nun ist er zwar gescheitert, aber was hätte sie schon zu befürchten gehabt? Othar hätte zwar sein Recht auf Egils Nachfolge verloren, aber schlimmere Folgen hätte auch er nicht zu befürchten gehabt. Gunhild hätte nur behaupten müssen, Ingerd habe ihr nicht die ganze Geschichte erzählt.“
„Und was ist mit dem Kerl, der euch in den Bergen nach dem Leben trachtete?“
„Sie hätte alles abstreiten und behaupten können, ein Gesetzloser habe uns im Wald überfallen. Allerdings redete der gedungene Mörder, bevor er starb. Vielleicht versteckt sie sich deshalb, bis wir abgesegelt sind.“
„Ja, so wird es sein. Du könntest die beiden für ihre Verbrechen zu Gesetzlosen erklären und sie aus Norwegen verbannen lassen.“
„Ja, das könnte ich. Aber dafür bleibt mir keine Zeit, und ich habe nicht den Wunsch, meine habgierigen, mörderischen Verwandten aufzuspüren. Sollen sie zurückkommen, wenn sie hören, dass wir das Land verlassen haben. Wie lange dauert es, bis wir eine Mannschaft beisammenhaben?“
Thorolf war über den Abschluss des Gesprächs ganz und gar nicht zufrieden, antwortete aber bereitwillig: „Zwei Tage. Ich habe zwar keinen Kriegspfeil ausgeschickt, aber klar gemacht, dass die Männer eilig gebraucht werden.“
„Und du hast auch klar gemacht, dass wir nicht auf Plünderfahrt gehen.“
„Selbstverständlich. Und … ähm, da wir schon dabei sind, ich möchte Anna freikaufen.“
Rorik zog die Brauen hoch. „Du hast es aber ziemlich eilig.“
Thorolf schmunzelte verlegen. „Ich wusste, dass die Frau mir Scherereien macht“, sagte er in gespielter Kümmernis. „Von Anfang an. Meinst du, Yvaine hat etwas dagegen, ihre Dienerin zu verlieren?“
„Natürlich nicht. Anna ist und bleibt ihre Freundin. Aber ich will keine Bezahlung von dir, Thorolf. Wenn wir England erreichen, sind beide Frauen frei.“ Er lachte trocken. „Oder hast du vergessen, dass dort andere Gesetze herrschen?“
Thorolf streckte die Beine von sich und betrachtete nachdenklich seine Stiefelspitzen. „Tja, früher hat dich das nicht gestört. Du warst sogar …“
„Schluss damit!“ Rorik stand auf, trat ans Feuer und schüttete den Rest aus dem Trinkhorn in die Flammen. Als der zischende Funkenregen verglüht war, drehte er sich wieder zu Thorolf um.
„Sei’s drum“, sagte er knapp. „Du weißt, was es bedeutet, nach England zu fahren. Ich wünsche dir viel Glück mit deiner Anna.“
„Danke. Aber was gedenkst du mit Gunhild und Othar zu tun? Du kannst doch nicht zulassen, dass die zwei hier das Sagen haben. Abgesehen von den Verbrechen, die sie begangen haben, hättest du hören müssen, wie Othar gestern Befehle erteilte. Er widersprach sich ständig … und na ja, ist auch egal. Aber manchmal habe ich den Eindruck, er ist verrückt.“
„Du hast vielleicht Recht“, sagte Rorik leise.
Thorolf blinzelte verdutzt. „Ach, das war nur ein Scherz.“
„Entsinnst du dich nicht?“ Rorik beobachtete, wie Thorolf sich frühere Vorfälle ins Gedächtnis rief. „Du erinnerst dich an Othars Jähzornsanfälle schon als Kind, wenn nicht alles nach seinem Kopf ging. Ständig beschuldigte er die Menschen seiner Umgebung, etwas gegen ihn zu haben. Thorkill erzählte mir von Gerüchten, wonach es in Gunhilds Familie Fälle von Geistesverwirrung gab. Ein paar Verwandte wurden deshalb in den Kerker gesteckt, wo sie bis zu ihrem Tod schmachteten. Das war der Grund, warum Egil keine Nachkommen von Gunhild wollte.“
„Bei Thors Hammer! Weiß Yvaine davon?“
„Nein. Ich sprach mit Thorkill unter vier Augen, um sie nicht zu ängstigen. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum mein Vater, nachdem er mich zu seinem rechtmäßigen Erben bestimmt hatte,
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