HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
John Owen, der ihn für die Schmach, den Ruf seiner Tochter ruiniert zu haben, am liebsten an den Galgen gebracht hätte. „Sie geben meinem Enkelkind höchstens Ihren Familiennamen, mehr nicht“, hatte er getobt. „Sobald die Ehe geschlossen ist, verschwinden Sie von hier! Mary kann bei mir leben und das Kind allein aufziehen. Ich will nicht, dass Sie in der Stadt bleiben und ihr mit Ihrem liederlichen Verhalten noch mehr Kummer bereiten.“
Zum anderen befand sich Jock MacKenna unter den Hochzeitsgästen. Noch immer hallten Cameron die verbitterten Äußerungen des Stiefvaters in den Ohren wider. „Ich habe mich bemüht“, hatte Jock gesagt, „dich zu einem anständigen Menschen zu erziehen, wie meine eigenen Söhne. Aber alles war vergebens. Nun hast du zum letzten Male Schande über mich und meine Familie gebracht, Cameron! Du hast mich oft gebeten, dich nach Afrika reisen zu lassen, damit du dir Arbeit bei der Eisenbahngesellschaft suchen kannst. Also gut, ich bin einverstanden und gebe dir das Geld für die Hinfahrt auf dem Dampfschiff, vorausgesetzt, du heiratest diese elende Miss Owen und sorgst dafür, dass ich Ruhe vor ihrem Vater habe. Dann kannst du dich meinetwegen zum Teufel scheren! Ich lege keinen Wert darauf, dich je wiederzusehen!“
Cameron nahm das salbungsvolle Gemurmel des Vikars, der in die überlieferten Worte der Trauungszeremonie der Bibel entnommene Beispiele über eheliche Liebe und Treue als Lebensweisheiten einflocht, wie das Summen einer dicken Hummel wahr. Unbehaglich trat er von einem Bein auf das andere, denn der gesteifte Leinenkragen beengte ihn.
Die älteren Stiefbrüder, alle drei stramme Kerle, denen nur an den Ländereien und den darauf weidenden blökenden Schafen gelegen war, standen hinter ihm und würden ihn gewiss nicht vermissen. Wiewohl er bei der Hochzeit seiner Mutter mit dem Stiefvater noch ein kleiner Bub gewesen war, hatten dessen Söhne aus erster Ehe ihn bis heute nicht als einen der ihren akzeptiert und für sein Bedürfnis, sich möglichst viel Wissen anzueignen, nie Verständnis aufgebracht. Für sie würde er auch in Zukunft ein Außenseiter sein. Nur von der Mutter, einer hübschen, zarten Frau, hatte er liebevolle Anteilnahme erfahren. Sie hatte, leise in ihr Spitzentaschentuch weinend, ihn sogar dann noch zu begreifen versucht, als er sich aus dem Gefühl des Unverstandenseins mit zügellosen Freunden einließ, Zechgelage veranstaltete, in Schlägereien verwickelt wurde und ständig Ärger machte. Sie war die Einzige, die ihm fehlen würde.
„Willst du, Mary Margaret Owen, diesen Mann zu deinem rechtmäßig angetrauen Gatten nehmen, ihn von nun an lieben, ehren und achten …“
Cameron hörte den greisen Vikar, der sich der Ironie des Augenblicks natürlich nicht bewusst war, die Trauungsformel stottern, schaute verstohlen zu seiner Braut hinüber und bemerkte, dass unter dem leicht verrutschten Schleier einige Locken dunkelblonden Haares zu sehen waren. Du lieber Himmel, er kannte die Kleine ja kaum! An jenem Abend, da er zu später Stunde von ihr beim Schwimmen in der Bucht überrascht worden war, hatte er sie für ein unreifes Mädchen gehalten. Lachend hatte er sie aufgefordert, die Sachen abzulegen und ihm Gesellschaft zu leisten. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie sich entrüstet umdrehen und fortlaufen würde. Zu seinem Erstaunen hatte sie jedoch nicht das Weite gesucht, und die schlanke Gestalt, die er dann im Mondlicht ins Wasser springen sah, war keinesfalls die eines Kindes gewesen.
Der Pastor näherte sich dem Ende der Zeremonie. Cameron merkte, dass Mary verkrampft war, und ahnte, wie beklommen ihr zumute sein musste. Sie holte hastig Luft und sagte kaum hörbar: „Ja, ich will.“
„Und willst du, John Cameron MacKenna, diese Frau zu deiner rechtmäßig angetrauten Gemahlin nehmen …“
Der gebrechliche Geistliche leierte die Frage ebenso gleichgültig herunter wie alle anderen Worte der feierlichen Handlung. Der Sperling flog durch die Kirche und flatterte verstört vor einem bunten Glasfenster hin und her. Cameron fühlte das Herz heftiger schlagen und sagte spröde: „Ja, ich will.“
Wo war der Ring? Hastig suchte er in der Tasche nach dem schmalen Goldreif, den er morgens von der Mutter erhalten hatte. Sie hatte ihn bei der Hochzeit mit seinem Vater getragen, der noch vor der Geburt des Sohnes auf See umgekommen war. Es musste ein großes Opfer für sie gewesen sein, sich von diesem Ring zu trennen. Er fand
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