HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Absicht, den inneren Aufruhr zu verbergen und sich den Anschein der Selbstsicherheit zu geben, die Hände auf die Hüften und sagte, den gleichen spöttischen Ton wählend, den er in der längst vergangenen Nacht am Strand angeschlagen hatte: „Donnerwetter, die junge Mary, die Tochter des Richters! Warum, zum Teufel, trägst du diese furchtbar alberne Verkleidung und spionierst mir nach?“
Mary setzte sich auf.
Cameron schaute sie an und begriff nicht, dass er sie überhaupt für einen Jungen gehalten hatte. Selbst in dieser lächerlichen Aufmachung hatte sie nichts Männliches an sich. Und das Gesicht hatte, ungeachtet der braunen Schminke, den kecken Ausdruck, dessen er sich entsann. „Also, Kleines, zumindest könntest du mir eine Erklärung dafür geben, was in drei Teufels Namen du hier willst!“, herrschte er die Gattin an.
Selbstbewusst hob sie den Kopf. „Ich bin kein kleines Mädchen mehr, Cameron“, entgegnete sie in würdevollem Ton. „Ich bin hier, weil ich etwas Wichtiges zu erledigen habe. Sobald das geschehen ist, reise ich ab und behellige dich nie wieder.“
Die Antwort und das Verhalten der Gemahlin ernüchterten Cameron. In stummem Anerbieten, ihr auf die Füße zu helfen, streckte er die Hand aus.
Mit der Rechten drückte Mary den kostbaren, staubigen Rucksack an sich und ergriff dann nach kurzem Zögern mit der Linken den Gatten am Handgelenk.
Ihre Finger fühlten sich weich und geschmeidig an, ein Reiz, der ihm in dem rauen, harten Leben, das er in Afrika führte, fremd geworden war. Überwältigt betrachtete er sie. In der Tat, seine kindliche Braut war erwachsen geworden. Wiewohl die gleißende Sonne auf ihre Augen fiel, wirkten sie wie unergründliche blaue Bergseen. Sie blinzelte nicht, wie die meisten Menschen es getan hätten, sah ihn unbeirrt an und verstand es sehr gut, ihre Gefühle angesichts der entstellenden Narbe zu verheimlichen. Es erstaunte ihn, dass sie nicht eingeschüchtert war, und er fand es bewundernswert, wie sie, trotz der schäbigen indischen Gewandung und der verschmierten braunen Schminke, geballte innere Kraft und Entschlossenheit auszustrahlen vermochte. Er schaute auf ihre zierliche, braun gefärbte Hand, und es gab ihm einen Stich im Herzen, als er den Trauring der Mutter an ihrem Ringfinger bemerkte. Aber vier Jahre waren tatsächlich eine lange Zeit. Seit jener leidenschaftlichen Nacht am Strand lagen Welten zwischen ihm und Mary. Sie gehörte nicht mehr zu ihm. Eigentlich war sie nie die Seine gewesen, nicht einmal damals.
Sie zog die Hand fort, räusperte sich und sagte: „Cameron, ich muss unbedingt etwas mit dir besprechen. Gibt es einen Ort, wo wir uns einige Minuten ungestört unterhalten können?“
Finster schaute er sie an. Sie wollte etwas mit ihm diskutieren. Ach ja, sie hatte erwähnt, sie habe etwas Wichtiges zu erledigen. Unbehelligt würden sie allerdings in dem staubigen Zelt, das er mit Anthony Bowmans zweitem Assistenten teilte, gewiss nicht sein, ebenso wenig wie an jeder anderen Stelle innerhalb des geschäftigen, lauten Lagers. „Komm!“, antwortete er unwirsch. „Ich hole mein Gewehr, und dann suchen wir uns ein schattiges Plätzchen.“
Mary folgte dem schweigend vorangehenden Gatten zurück ins Camp und musste sich beeilen, mit ihm Schritt zu halten.
Hin und wieder blickte er sich zu ihr um, obwohl es ihm widerstrebte. Ungeachtet der absurden Verkleidung hatte ihr graziler Gang etwas Beunruhigendes. Cameron merkte, dass er nach all den Jahren noch immer nicht gegen die Reize der Gattin, der kleinen Mary Margaret, Richter Owens Tochter und Mutter seines Kindes, gefeit war.
Es war ihm immer schwergefallen, sich selbst als Vater vorzustellen. Das Geld, dass er seiner Mutter übersandt hatte, war alles gewesen, was er seiner Meinung nach für das arme kleine Mädchen hatte tun können. Dennoch hatte er sich gelegentlich gefragt, wie es sein mochte, Jennifer auf den Knien zu halten und ihren bewundernd auf ihn gerichteten Blick zu sehen. Nun, vermutlich hätte sie ihn nicht voller Bewunderung angeschaut. Mit seinem Gesicht hätte er sie gewiss zu Tode erschreckt.
In Gedanken noch bei der Tochter, betrat er sein Zelt und holte den Karabiner, den er stets mitnahm, sobald er das Camp verließ. Er kehrte ins Freie zurück und wartete, bis die Gattin ihn eingeholt hatte. Auf dem Weg durch das Lager passte er sich ihrem Schritt an und erkundigte sich beiläufig: „Wie geht es Jennifer? Sie soll, wie meine Mutter mir
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