HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
geschrieben hat, sehr hübsch und munter sein.“
„Sie ist wunderschön“, antwortete Mary gefühlvoll, „und sie zu haben, Cameron, ist das Einzige, was ich nie bedauert habe.“
Cameron hatte begriffen, dass sie alles andere, was zwischen ihr und ihm geschehen war, bedauerte. „Du hast nicht zufällig eine Fotografie von ihr, oder doch?“, fragte er in unbeteiligtem Ton.
„Nein, es tut mir leid. Ich hätte daran denken sollen. Aber sie ist …“ Mary hielt inne und versank in verlegenes Schweigen.
„Sie ist was?“
„Ach, nichts.“
Nach dem Verlassen des Lagers lag die sich wie ein endloses Meer wogenden Grases erstreckene, nur hie und da mit Gebüsch und Akazien bewachsende gelbe Savanne vor ihr, am Horizont begrenzt durch die blau schimmernden Konturen der Berge, und in weiter Ferne war eine Gazellenherde zu sehen.
„Wie ist das mit deinem Gesicht passiert?“, fragte Mary.
Endlich hatte sie das Thema angeschnitten. „Die Narbe hat ein Löwe vor nicht ganz einem Jahr in der Nähe von Voi verursacht“, antwortete Cameron.
„Wie ist das geschehen? Hat er dich angefallen?“
„Nein, das Gegenteil war der Fall. Die Bestie war nachts in ein Zelt gedrungen und hatte einen der Kulis angegriffen. Der arme Kerl schrie wie am Spieß, doch niemand wollte ihm beistehen.“ Cameron zuckte mit den Schultern. „Dann habe ich den Fehler begangen, ihm nur mit einer Schaufel zu Hilfe zu eilen. Schließlich ließ der Löwe von ihm ab, versetzte mir einen Hieb mit der Pranke und suchte dann das Weite.“
Mary schluckte schwer.
Cameron konnte sich gut vorstellen, was jetzt in ihr vorging.
„Und was wurde aus dem Inder?“, fragte sie bang.
„Er starb am folgenden Tag. Bei den Qualen, die er ausgestanden hat, wäre es wohl eine Gnade für ihn gewesen, hätte die verdammte Raubkatze ihn gefressen. Auch mit mir stand es auf Messers Schneide. Durch die Infektion, die von den schmutzigen Krallen des Löwen verursacht worden war, lag ich einen Monat im Krankenhaus.“
„Oh, das tut mir leid“, sagte Mary mitfühlend.
„Ach, die Sache ist vorbei und erledigt. Komm weiter.“ Cameron ging der Gattin zu einem abgebrochenen Ast voran, der im Schatten einer breitkronigen Schirmakazie lag, vergewisserte sich, dass keine Leoparden im Geäst dösten, und bedeutete ihr dann, sich zu setzen.
Schweigend, den Rucksack an sich drückend, kam sie seiner Aufforderung nach und ließ sich auf dem entferntesten Ende des Astes nieder.
Cameron fiel auf, dass ihr Blick ihn mied. Er nahm einige Schritte von ihr entfernt Platz und war sicher, dass sie etwas Unerfreuliches auf dem Herzen hatte, denn für ein nettes Plauderstündchen war sie gewiss nicht zu ihm gekommen. Etwas anderes konnte er kaum erwarten. Schließlich hatte er sich ihr gegenüber nicht sonderlich gut benommen. Nach dem Tod des Vaters auf sich allein gestellt, mit einem Kind, das es zu ernähren und zu erziehen galt, musste sie schwere Zeiten hinter sich haben. Um ihr die Sache zu erleichtern, entschloss sich Cameron, als Erster zu reden. „Ich weiß, Mary, dass ich dich nicht so unterstützt habe, wie ich es hätte tun müssen. Ich könnte noch etwas erübrigen, falls du mehr Geld brauchst.“
„Nein, es geht mir nicht um Geld.“
„Nein?“ Er spürte sich regendes Unbehagen. „Um was dann?“
„Hast du die dir von Mr. Parkhurst zugeschickten Unterlagen nicht erhalten?“
„Welche Unterlagen? Und wer ist Mr. Parkhurst?“
„Mein Anwalt.“
Marys braun verschmiertes Gesicht wirkte verzweifelt, und Cameron war sicher, dass die bösen Vorahnungen, die er schon seit einer Weile hatte, sich bewahrheiten würden. Seit dem Augenblick, da die Gattin ihn begrüßt hatte, vermutete er, dass ihm etwas Unangenehmes bevorstand. Denn sonst hätte sie die weite Reise gewiss nicht unternommen. Aus Einsamkeit hatte sie ihn bestimmt nicht aufgesucht, und aus Liebe erst recht nicht. „Also gut“, erwiderte er ruhig. „Erklär mir, was es mit den Unterlagen auf sich hat.“
Sie atmete tief durch. „Cameron, ich möchte mich scheiden lassen.“
Er ließ den Blick über die in der flirrenden Hitze schimmernde Ebene zu den im Dunst schwach erkennbaren Konturen der Berge schweifen und schwieg eine geraume Weile. Nun wusste er, welches Anliegen die Gattin hatte. An sich konnte es ihm einerlei sein, dass sie sich endgültig von ihm trennen wollte. Er hatte sie wohl nie richtig geliebt und auch nicht heiraten wollen. Er spürte, dass sie ihn beobachtete und
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