HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
sich nicht geweigert hatte, die Scheidungspapiere zu unterschreiben.
„Soeben fällt mir etwas ein“, sagte er. „Es geht um das Geld, das ich unserer Tochter schicke. Ich weiß, viel ist es nicht, aber ich möchte die Zahlungen fortsetzen. Vielleicht kann ich nie etwas anderes für Jennifer tun.“
„Ich werde das Geld wie bisher auf einer Bank einzahlen und es für Jennys Zukunft sparen.“ Mary strich sich eine Strähne aus der Stirn und fand, es sei nicht der rechte Augenblick, jetzt Mr. Tarrington-Leigh oder die Möglichkeit zu erwähnen, dass der Tochter, sollten die Dinge sich wie geplant entwickeln, es nie mehr an irgendetwas mangeln würde. Vermutlich war es auch nicht der geeignete Moment, den Gemahl zu fragen, was aus seiner Absicht geworden sei, im Elfenbeinhandel ein Vermögen zu verdienen. In der verwahrlost aussehenden Umgebung des Lagers, mit dem verunstalteten Gesicht und in den abgetragenen, staubigen Sachen machte er den Eindruck eines Menschen, der seine Träume längst begraben hatte.
Das Camp, in dem inzwischen mehr Ruhe herrschte, war erreicht. Die Leute gingen ihren Beschäftigungen nach, als habe der Streit sich nie zugetragen. Die Arbeiter, die keinen Dienst hatten, saßen entweder dösend im Schatten, würfelten oder spielten Karten. Fleisch wurde über den Kochstellen gebraten. Verlassen vom Lokführer, dem Heizer und den Passagieren, stand der Zug leer auf dem Gleis. Der hochgewachsene, knochige Ausländer, den Mary schon einmal gesehen hatte, kam auf sie und Cameron zu und zwinkerte ungläubig. Das sich lichtende Haar hatte er sorgfältig über den kahlen Mittelkopf gekämmt, und die Khakihosen waren tadellos gebügelt.
„Donnerwetter“, murmelte er fassungslos. „Was ist denn das, MacKenna? Sie haben uns etwas verheimlicht!“
Cameron seufzte verdrossen. „Mary, ich möchte dir Anthony Bowman, den Chefingenieur, vorstellen. Bowman, das ist … meine Gattin.“
„Donnerwetter!“ Nach einem flüchtigen Blick auf ihre indischen Gewänder zog Anthony den Strohhut und hob galant ihre Hand zum Kuss an die Lippen. „Ich gestehe, ich bin überrascht. Ihr Mann redet nicht viel über sich. Ich wusste nicht einmal, dass er verheiratet ist. Sie statten ihm also einen Besuch ab, nicht wahr, Mrs. MacKenna?“
Lächelnd täuschte sie Gleichmut vor. „Ich befürchte, ich bin nur aus geschäftlichen Gründen hier und werde mit dem nächsten Zug abreisen.“
„Er fährt, soweit ich weiß, in einer Stunde ab“, warf Cameron brüsk ein.
„In einer Stunde?“ Jäh erhellte sich Anthonys schmales, freundliches Gesicht. „Diesmal nicht. Sie beide haben Glück. Die Zugbesatzung will übernachten, um morgen früh auf die Jagd zu gehen, und hat die Abreise erst für den Spätvormittag vorgesehen. Also bleibt Ihnen die Nacht.“
Mary sah, dass der Gatte sich versteifte.
„Wir haben keine Pläne gemacht“, sagte er unbehaglich.
„Keine Widerrede!“, entgegnete Anthony in großmütigem Ton. „Ich stelle Ihnen, MacKenna, und Ihrer Gattin für heute Nacht mein Zelt zur Verfügung und schlafe in Ihrem bei Cummings.“
Mary spürte das Blut aus den Wangen weichen. „Oh, wir wollen Ihnen keine Ungelegenheit bereiten.“
„Unsinn! Irgendwo müssen Sie ja schlafen, verehrte Dame! Und mein Zelt ist das einzige saubere im ganzen Camp. Im Übrigen habe ich zufällig …“ Anthony hielt inne, machte eine kurze, bedeutungsvolle Pause und fuhr dann lächelnd fort: „Zufällig verfüge ich auch auf dieser Seite von Mombasa über die einzige Kupferbadewanne!“
„Oh!“, hauchte Mary. Die Vorstellung, ein Bad nehmen zu können, war himmlisch, aber andererseits verlor sie die Kontrolle über die Situation. „Es geniert mich, dass Sie sich so viele Umstände machen wollen, Mr. Bowman“, wandte sie ein. „Ich könnte doch auf dem Zug schlafen.“ Unsicher hielt sie inne. Mr. Bowman wusste nicht über ihre wahre Beziehung zum Gatten Bescheid und bot höflicherweise sein Zelt in der Annahme an, lange getrennte Eheleute würden bestimmt den Wunsch haben, die Nacht gemeinsam zu verbringen. Der Gedanke, mit dem Gemahl allein zu sein, ließ Mary indes in Panik geraten. Jeder andere Ort wäre ihr lieber gewesen, selbst ein Platz irgendwo im offenen Busch.
Die Stimme des Gatten riss sie aus den Gedanken. „Der Zug ist ungeschützt, und deshalb wärest du dort nicht sicher. Ihr Angebot, Bowman, ist großzügig, und wir nehmen es an, sosehr es uns auch widerstrebt, Sie aus Ihrem Zelt zu
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