HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
zu sein, aber man konnte nie wissen.
Eilends kehrte er dann, seinen Karabiner in der Hand haltend, mit den drei Burschen zum Weg zurück. Die Schaufeln auf den Schultern tragend, trotteten die Parsen neben ihm her. Juma folgte schweigend. Vermutlich grämte er sich des vergrabenen Gewehres wegen.
Cameron konnte nicht verhindern, dass die Gedanken jetzt ständig um die Gattin kreisten. Inzwischen war sie bestimmt wach, hatte sich angekleidet und gewiss auch die von ihm unterzeichneten Scheidungspapiere im Rucksack gefunden. Sie konnte beruhigt den Zug nach Mombasa nehmen, und Cameron hatte keinen Grund mehr, sie je wiederzusehen. In der vergangenen Nacht hatte er sich wirklich zum Narren gemacht. Eigentlich war es seine Absicht gewesen, ihr zu beweisen, dass die beabsichtigte Scheidung oder das Vorhandenseins eines vornehmen Freundes in Marys Leben ihn nicht im Mindesten berührten. Irgendwie hatte er dann jedoch die Beherrschung verloren und innerlich vor Eifersucht getobt. Aus Wut war der Entschluss, die Gemahlin nicht zu berühren, in Vergessenheit geraten, und selbst jetzt noch stieg Cameron bei dem Gedanken an die schamlose Art, wie Mary ihn geküsst und sich in dem hauchdünnen, durchnässten Nachthemd an ihn gedrängt hatte, die Zornesröte in das erhitzte Gesicht. Nun wunderte es ihn nicht mehr, dass er nachts die Selbstbeherrschung verloren hatte.
Mit diesem enthemmten Benehmen von Marys Seite hatte er am wenigsten gerechnet. Hätte sie ihn geohrfeigt oder sich entrüstet hinter eine Fassade eisiger Ablehnung zurückgezogen, wäre er imstande gewesen, sich damit abzufinden. Doch sie hatte seine Küsse willig und begierig erwidert. Er fluchte laut. Nur seine Verärgerung über ihr Betragen hatte ihn vor einer noch größeren Dummheit bewahrt. Es wäre tatsächlich eine Torheit gewesen, mit ihr zu schlafen. Er machte sich keine Illusionen über die Empfindungen, die er für sie aufbrachte, oder über die Gefühle, die sie für ihn hatte. Ihr beider Verhalten war nur Lust gewesen und hatte nichts mit wahrer Liebe zu tun. Liebe war Zärtlichkeit und gegenseitige Fürsorge, der Wunsch, nur das Beste für den Partner zu wollen, das Leben mit ihm teilen zu können, mit ihm zusammen alt zu werden. Aber Cameron war sich bewusst, dass Mary und er sich bisher nur gestritten und entzweit hatten.
Aus dem Bedürfnis, so schnell wie möglich zur Baustelle, von wo mittlerweile das Dröhnen der Hämmer zu hören war, zurückzukommen und sich wieder mit der Arbeit befassen zu können, beschleunigte er den Schritt. Er war sicher, dass die Gattin das Lager längst verlassen hatte, wenn er dort eintraf, und er sie nie wiedersehen würde. Und dann hatte er endlich Zeit und vor allem den richtigen Anlass, sich abends sinnlos zu betrinken.
„Sehen Sie dort, Bwana“, sagte Juma erstaunt.
Aus den Gedanken gerissen, hob Cameron den Kopf und sah ungefähr zwanzig Schritte vor sich, neben dem Pfad, Anthony Bowmans gemächlich zum Lager trottendes Muli. Hin und wieder blieb es stehen und rupfte Gras. „Wie, zum Teufel, kommt es hierher?“ Cameron rannte zu dem Maultier und fing es an den schleifenden Zügeln ein. Es schien unverletzt zu sein, war jedoch schweißbedeckt und staubverkrustet. Ein Steigbügel hing halb abgerissen am Sattel, und das Gewehr war aus der Packtasche verschwunden.
„Das Tier ist geritten worden“, sagte Juma.
Cameron gab ihm recht. Dennoch begriff er nicht, wie es möglich war, dass es sich hier in der Savanne befand. Bislang hatte es sich nie vom Lager entfernt, und der Chefingenieur würde bestimmt nicht allein ausreiten. Niemand würde das, höchstens jemand, der sich mit den Gegebenheiten nicht auskannte. Jäh dachte Cameron an die Gattin und stellte sich vor, dass sie, weil sie die von ihm unterzeichneten Dokumente nicht gefunden hatte, ihm gefolgt war, um ihn noch vor der Abreise des Zuges zu sprechen, und unwillkürlich überkam ihn die Angst. Gewiss hatte Mary sich erkundigt, wo er sei, und dann in einem unbeobachteten Augenblick das Muli genommen.
Cameron stöhnte laut auf und überlegte, wo sie jetzt sein mochte. Vielleicht hatte sie sich verirrt, war verletzt oder sogar tot. Von bösen Vorahnungen erfüllt, befahl er einem der Parsen, mit dem Muli zur Baustelle zu reiten und Mr. Bowman zu berichten, was geschehen war. Dann verfolgte er mit Juma, dem besten Fährtenleser des Lagers, die Spur des Mulis zurück, und hoffte inständig, die Gattin zu finden, falls sie tatsächlich irgendwo in
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