HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
hinzulegen, ging Cameron ins Freie, bückte sich und zog vorsichtig seine Sachen und das Gewehr aus dem Zelt. Rasch kleidete er sich an und zerrte die Wellingtonstiefel über die Beine.
Die Eingeborenen lagen, wie er missbilligend feststellte, noch schlafend unter ihren verschlissenen Decken um das fast erloschene Feuer. Er nahm sich vor, dafür zu sorgen, dass in Zukunft immer eine Wache auf Posten war und das Feuer nicht ausging. Den auf der Erde liegenden Gestalten ausweichend, schlenderte er zur Glut, warf Reiser darauf und fachte die bald am trockenen Holz emporzüngelnden Flammen an. Ihm grauste vor dem Tag, der brennenden Sonne, den Fliegen und den Qualen, denen er angesichts der vor ihm herschreitenden Gattin ausgesetzt sein würde, und unwillkürlich wünschte er sich, Mary hassen zu können. Das würde ihm das Zusammensein mit ihr erträglicher machen. Aber sie war so verführerisch, dass er sie nicht ansehen konnte, ohne Verlangen nach ihr zu empfinden.
Der Löwe brüllte wieder, und diesmal hatte es sehr viel näher, aus östlicher Richtung, geklungen. Cameron setzte einen Stock in Brand, verließ das Camp und umrundete es in großem Bogen. Im flackernden Licht bemerkte er die frischen Abdrücke der gewaltigen Pranken. Nach dieser Beobachtung war es erst recht von größter Wichtigkeit, die Swahili zur Wachsamkeit anzuhalten, oder es kam eines Nachts zu einer Katastrophe.
Cameron setzte sich ein Stück vom Feuer entfernt auf einen Holzstrunk. Im Osten färbte schon ein schmaler Streifen Morgenröte den noch dunklen Himmel. Bald begaben sich die Nashornvögel, die beim Fliegen so viel Geräusch erzeugten, dass man sie eher hörte denn sah, auf Nahrungssuche; das bunte Gefieder der Kletterhopfe würde im Licht der aufgehenden Sonne metallisch aufschimmern und der an das Schlagen der Nachtigallen erinnernde Gesang der Mönchsgrasmücken zu vernehmen sein. Spießflughühner, Waalitauben und Perlhühner bevölkerten dann auch das hohe Steppengras, und Gazellen, Antilopen und Zebras kamen aus der Deckung zum Äsen in flaches Gelände. Cameron liebte den afrikanischen Morgen, denn das war die einzige Tageszeit, in der das Land friedlich und idyllisch wirkte.
Er knöpfte die Hüfttasche der Khakihosen auf, holte die ihm von Halil ibn Aybak übergebene Landkarte heraus und entfaltete sie. Hinter Machakos kannte er sich nicht mehr gut aus und fand es ratsamer, sich jetzt den Weg einzuprägen. Er beugte sich zum Feuer vor und betrachtete den bräunlich gewordenen, arabisch beschrifteten Druck. Der Kenia war eingezeichnet, und auch der zum Indischen Ozean fließende Athi. Plötzlich meinte Cameron, ihm stocke das Herz. Henry Murchisons Skizze befand sich noch immer in seiner Hemdtasche. Rasch nahm er sie heraus und verglich die beiden Karten, von denen keine im richtigen Maßstab angefertigt war. Dennoch war nicht zu übersehen, dass sie dasselbe Gebiet umfassten. Auf Murchisons Papier war sogar der Dscharengpass mit zwei parallel verlaufenden Strichen vermerkt. Cameron berechnete die Entfernung zu der Stelle, wo das Elfenbein verborgen war, und kam auf eine Strecke, die ungefähr zwei Tagesmärsche lang sein musste.
Jäh in der kühlen Morgenluft schwitzend, stand er auf, faltete beide Landkarten zusammen und steckte sie ein. Es war ihm unbegreiflich, dass er die Ähnlichkeit nicht schon längst bemerkt hatte. Aber schließlich war er sehr durch Jennifers Entführung und die Gattin abgelenkt gewesen. Andererseits durfte er so lange nicht darüber nachdenken, an das weiße Gold zu gelangen, bis die Tochter aus den Händen der Sklavenhändler befreit war. Dennoch hatte Rastlosigkeit ihn erfasst. Er schlenderte im Kreis um die schlafenden Eingeborenen und malte sich aus, was der Erlös aus dem Verkauf der Stoßzähne ihm einbringen würde. Vielleicht wurde er kein schwerreicher Mann; doch gewiss hatte er, wenn er das Geld klug anlegte, bis an das Ende seiner Tage ausgesorgt, konnte sich ein schönes, großes Haus leisten mit dem dazugehörigen Land, und die Reisen unternehmen, von denen er stets träumte.
Vor allem aber würde man die finanziellen Mittel haben, Jennifer eine gute Ausbildung zu sichern. Und dank des Respekts, den sein Vermögen ihm einbringen würde, kam gewiss auch kein Richter auf der Welt auf den Gedanken, ihm den Umgang mit Jenny zu verbieten. Geld war eben der Schlüssel zum Erfolg, der ihm alle bisher verschlossen gebliebenen Türen öffnen würde.
Aber er schwor sich, die Suche nach dem
Weitere Kostenlose Bücher