HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
trugen.
„Das sind Massaikrieger“, erklärte Cameron leise. „Es müssen fünfzehn oder zwanzig sein.“
Trotz der Gluthitze rann Mary ein Frösteln über den Rücken. Massai waren als der kriegerischste Negerstamm ganz Ostafrikas bekannt, und es hieß, sie würden mit Speeren gegen Löwen kämpfen, nur um ihre Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Je näher sie rückten, desto deutlicher konnte Mary die gut geschnittenen, edel wirkenden Gesichter, die mit Fett eingeschmierten und Ockerfarbe bemalten, im flirrenden Glast wie Kupfer glänzenden bloßen Oberkörper, die ledernen Lendenschurze und die rotbraunen Muster der mannshohen Schilde erkennen. Jeder Krieger hatte an den bloßen Füßen mit Lederriemen befestigte Glöckchen, war mit einem mindestens acht Fuß langen Speer ausgerüstet und trug das Fell eines im Zweikampf getöteten Löwen. Unbeirrt und furchtlos kamen sie auf die Träger zu, obwohl die Askaris ihre Gewehre von den Schultern genommen hatten.
„Warum gibt niemand einen Warnschuss ab?“, fragte Mary bang.
Cameron lachte verhalten. „Lass sie ruhig herkommen. Falls wir auch nur eine feindselige Bewegung machen, meine liebe Mary Margaret, oder gar einem der Krieger ein Haar krümmen, ist im Umkreis von zweihundert Meilen kein Europäer seines Lebens mehr sicher. Ich rate dir, dich nicht sehen zu lassen und dich so unauffällig wie möglich zu verhalten.“
Die Massai waren jetzt nur noch etwa fünfzig Schritte entfernt. Cameron gab den Befehl zum Halten und wies die Askaris an, zum Zeichen der Friedlichkeit die Gewehre zu senken.
Ängstlich suchte Mary Zuflucht inmitten der zitternd zusammenrückenden Träger.
Die Krieger blieben einen Steinwurf weit vor dem Tross stehen.
Mary verschlug es den Atem, als der Gatte seinen Karabiner einem Träger aushändigte und unbewaffnet zu den Massai schlenderte. Nur wenige Minuten zuvor hatte sie ihm im Stillen noch den Tod gewünscht, doch nun schlug ihr bei dem Gedanken, was ein einziger auf ihn geschleuderter Speer ihm antun könne, das Herz bis zum Hals. Die Krieger regten sich nicht, während er gemächlich zu ihnen ging.
Vor dem beeindruckendsten Massai, der älter als die anderen war und große Stäbe als Schmuck in den stark verlängerten Ohrläppchen trug, hielt er an, hob die Hand zum Gruß und sagte in Swahili: „Sei gegrüßt!“
Der Schwarze schaute ihn einen Moment nur verächtlich an und äußerte dann eine Flut von Worten in einer anderen Sprache. Mary merkte, dass er offenbar des Swahili nicht kundig war, und unwillkürlich sank ihr das Herz. Sie erkannte, dass die Spannung zwischen den Kriegern und den Askaris stärker wurde, je länger ihr Gatte bemüht war, sich mit dem Massai zu verständigen. Die anderen Krieger warfen feindselige Blicke herüber, und die eingeborenen Soldaten hatten die Finger um die Abzüge der Schusswaffen gelegt. Cameron hatte ihnen zwar die Order erteilt, nicht zu schießen, doch es bestand die Gefahr, dass einer der Askaris die Nerven verlor und schoss. Dann kam es gewiss zu einem Blutbad, und Cameron stand zwischen den Fronten.
Fast hätte Mary vor Schreck aufgeschrien, als der alte Massai unvermittelt die Hand hob und ihrem wie versteinert stillhaltenden Mann mit dem Zeigefinger über die gezackte lange Narbe strich. Unversehens breitete sich, wie ein durch düstere Wolken brechender Sonnenstrahl, ein Lächeln auf dem faltigen Gesicht aus, und jäh kam Leben in die anderen Krieger. Grinsend und schwatzend betasteten sie Camerons Wange. Mary hatte den Eindruck, dass die Spuren der Löwenpranke ihn in den Augen der Eingeborenen als wahren Mann auswiesen, da er das aus einem heroischen Zweikampf stammende Mal trug.
Ein Träger löste sich zögernd aus der Schar der Gefährten, schlich zu Cameron und sagte etwas in Swahili. Den Gesten entnahm Mary, dass der Mann offenbar schon früher mit Massai zusammengekommen war und einige Brocken ihres Dialektes kannte. Ein unbeholfener Dialog begann, bei dem der Träger die Fragen und Antworten übersetzte.
Hin und wieder äußerte Cameron etwas in Englisch, damit Mary der Unterhaltung folgen konnte. Der alte Massai hieß Sundiata Musa und war der Anführer der sich auf einem Erkundungszug befindenden Männer, die neue Weidegründe für ihr Vieh suchten. Sie waren von weither in diese Gegend gewandert, doch da die Regenzeit noch nicht eingesetzt hatte, war überall die große Dürre über das Land gekommen.
Kaum hatte Mary vernommen, dass sie aus großer Ferne
Weitere Kostenlose Bücher