HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
aufgebrochen waren, vergaß sie die Warnung des Gatten, drängte sich durch die unruhigen Swahili und rief Cameron zu: „Frag, ob sie ein kleines weißes Mädchen gesehen haben!“ Doch schon einen Herzschlag später wurde ihr klar, wie sinnlos die Bitte gewesen war. Die Massai waren aus dem Inneren Ostafrikas hergezogen; die Sklavenhändler hatten jedoch einen Weg von der Küste in Hinterland eingeschlagen. Also war es äußerst unwahrscheinlich, dass die beiden Gruppen sich begegnet waren.
Da Mary sich so überraschend aus der Mitte der Träger gelöst hatte, war sie jetzt den Kriegern aufgefallen. Verblüfft starrten sie zu ihr hinüber und wiesen murmelnd auf sie. Cameron warf ihr einen zornigen Blick zu und sagte streng: „Beweg dich nicht, Mary!“
Geschmeidig wie ein Gepard, in würdevoller und doch wachsamer Haltung, ging Sundiata Musa zu ihr, nahm ihr den Strohhut vom Kopf und berührte ihr blondes Haar.
Sie sah seinen verächtlichen Blick auf sich gerichtet, hielt ihm indes tapfer stand, obwohl sie innerlich vor Angst starb. Das Weiß um die Pupillen seiner Augen hatte eine seltsam gelbliche Farbe; die Nase war schief, als sei sie durch einen harten Schlag gebrochen worden, und auf den dunkelbraunen Wangen konnte man die ein merkwürdiges Muster formenden rituellen Narben erkennen. Außerdem verströmte er einen eigenartigen Geruch, der Mary vertraut vorkam. Tatsächlich, der Mann roch nach Vieh und rief ihr die Ausdünstungen eines Stalles in Schottland in Erinnerung. Irgendwie wirkte der furchterregende Krieger plötzlich nicht mehr so einschüchternd.
Er schnaubte geringschätzig, drehte sich brüsk um und überhäufte ihren Mann mit einer Fülle von Fragen.
Cameron hatte ein boshaftes Glitzern in den Augen, während er Sundiata Musa in Swahili antwortete und der Träger das Gespräch übersetzte. Diesmal machte er sich indes nicht die Mühe, der Gattin zuliebe die Unterhaltung in Englisch zu wiederholen.
Sundiata Musa wandte sich ihr wieder zu und kniff sie in den Oberarm.
Unvermittelt begriff sie, dass die Rede von ihr gewesen war, und überlegte verstört, was der alte Krieger von ihr wollte und was ihr Mann ihm gesagt haben mochte. Sie hatte kein Wort verstanden und nur des Gatten belustigte Miene gesehen. „Was ist los, Cameron?“, wollte sie wissen.
Sein Blick warnte sie, still zu sein.
„Cameron!“
„Halt den Mund!“, befahl er ihr. „Ich versuche, deine Haut zu retten!“
Sundiata Musa streckte zwei Finger aus.
Cameron schüttelte den Kopf und hielt drei Finger hoch.
Verärgert furchte Sundiata Musa die Stirn und streckte drei Finger aus.
Wieder schüttelte Cameron den Kopf und hielt seinerseits drei Finger hoch.
Mit einer Verwünschung stieß Sundiata Musa den Speerschaft auf die Erde, drehte sich erbost um und kehrte zu seinen Leuten zurück. Wie auf ein unsichtbares Signal setzten sie sich in Bewegung. Die Glöckchen klingelten; die Speerspitzen blitzten in der Sonne auf. Ohne die Fremden noch eines Blickes zu würdigen, waren die Massai Minuten später über einen buschbewachsenen Hügel verschwunden.
Entgeistert schaute Mary ihnen nach.
Cameron ging zu ihr, berührte sie am Arm und sagte scharf: „Nach einem guten Schluck brechen wir sofort auf. Ich möchte schnellstens eine möglichst große Distanz zwischen uns und die Krieger bringen.“
Die Träger hoben ihre Lasten wieder auf die Köpfe und formierten sich zu einer langen Reihe.
Mary öffnete die Feldflasche, trank hastig und legte den Kopf in den Nacken, damit ihr ein wenig Wasser über die erhitzte, staubige Wange rann. Mit dem Handrücken wischte sie sich den Mund ab und schraubte die Feldflasche wieder zu. „Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig“, sagte sie und schloss sich dem Gatten an. „Was wollte Sundiata?“
Die Augen verengend, blickte Cameron über die Schulter zu ihr und fragte ärgerlich: „Kannst du dir das nicht denken? Er wollte dich kaufen.“
„Ach, Unsinn!“, widersprach sie hitzig und bemühte sich, die Angst nicht zu zeigen, die diese Mitteilung bei ihr ausgelöst hatte.
Cameron schaute nach vorn. „Ich habe nicht gescherzt, Mary! Sundiata Musa behauptete, dir wohne Dawa inne, weil dein Haar die Farbe einer Löwenmähne hat und deine Augen die der Blume, die nach dem Regen erblüht. Er wollte einen Sohn mit dir zeugen, einen mächtigen Krieger, der von dir die Zauberkraft und von ihm den Mut erbt.“ Cameron machte eine dramatische Pause. „Er hat zwei Ziegen für
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