HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
ebenso brauchte wie sie die seine.
Nun würde alles in Ordnung kommen. Erst würde die Tochter aus den Händen der Sklavenhändler befreit, dann zu dritt die Reise nach Schottland angetreten und schließlich, sobald ein Anwesen in Aberdeen oder Edinburgh gefunden war, wo der Gatte dank der bei der Eisenbahn gesammelten Erfahrungen gewiss eine gute Anstellung fand, das Haus in Darlmoor verkauft werden. Oh, vielleicht würde man nie reich sein, doch Geld allein war für ein gemeinsames Glück nicht notwendig. Das hatten Mr. und Mrs. Robertson Mary deutlich genug vor Augen geführt.
Tastend streckte sie die Hand nach ihrem Mann aus, hielt verblüfft inne und schlug überrascht die Lider auf. Cameron lag nicht neben ihr. Jäh setzte sie sich auf und schaute sich um. Nirgendwo war eine Spur von ihm zu sehen. Alle seine Sachen, sogar die Feldflasche und das Gewehr, waren verschwunden.
Von Panik ergriffen, sprang sie aus dem Bett und sammelte ihre überall im Zimmer herumliegenden Kleidungsstücke ein. Bei der Erinnerung an die stürmische Liebesnacht und den Rausch, der sie mitgerissen und ihr alle Vernunft geraubt hatte, stieg ihr die Röte in die Wangen. Mit bebender Hand strich sie sich über den bloßen Leib und meinte, noch immer die Zärtlichkeiten des Gatten zu fühlen, seine wilden Liebkosungen, die heißblütigen Küsse, und bestürzt fragte sie sich, was sie getan hatte. Verwirrt, verstört und in der kühlen Morgenluft zitternd, stand sie auf der den Boden bedeckenden Strohmatte und hatte den Eindruck, dass die noch vor einem Moment so rosige Zukunft jäh düsterer und finsterer denn je zuvor aussah.
Erschrocken überlegte sie, wo der Gatte sich aufhalten könne, und plötzlich kam ihr der erschütternde Gedanke, er könne ohne sie aufgebrochen sein. Angst überkam sie, und verzweifelt ermahnte sie sich, nicht den Kopf zu verlieren. Cameron war gewiss nur zu den Swahili gegangen, um sich zu vergewissern, dass alles zum Weitermarsch bereit sei, und würde jeden Augenblick zurückkommen.
In aller Eile machte sie Morgentoilette, wurde jedoch das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte, und hastete, nachdem sie sich gekämmt und das Haar aufgesteckt hatte, aus dem Zimmer. Der verblassende Mond stand tief am blauen Himmel. Im Haupthaus war noch alles still. Das beruhigte sie, denn sie war nicht in der Stimmung, mit den Robertsons, so sehr sie die Gastgeber auch mochte, Höflichkeiten austauschen zu müssen, solange sie keine Ahnung hatte, wo ihr Mann sich befand. Sie schaute sich im Hof um, rechnete jedoch nicht damit, Cameron irgendwo zu sehen. Er hätte weder die Feldflasche noch den Karabiner mitgenommen, wäre er in der Nähe des Anwesens geblieben. Mary beschloss, ihn im höchsten fünfzehn Minuten entfernten, in einem Wäldchen außerhalb des Ortes gelegenen Camp der Eingeborenen zu suchen. Wenn sie Glück hatte, kam sie aus dem Lager der Swahili zurück, bevor die Robertsons sie vermissten.
Dennoch hielt sie es für ratsamer, ihre Habseligkeiten bei sich zu haben. Sie kehrte ins Zimmer zurück, stopfte sie in den Rucksack, setzte den Hut auf und nahm ihre halb leere Feldflasche an sich. Eilends verließ sie den Raum, lief durch das Tor in der Umfriedung und machte es hinter sich zu. Im Osten färbte der Himmel sich bereits rot, und die wenigen vorhandenen Wolken würden sich, sobald die Sonne höher stand, mit zunehmender Hitze auflösen. Hie und da stieg Rauch aus den Küchengebäuden im Ort, und der Duft frisch gebackenen Brotes und gebratenen Schinkens hing in der Luft. Zu sehen war jedoch niemand.
Mary sagte sich, sie sei töricht gewesen, sich über die Abwesenheit des Gatten aufzuregen. Beschwingt wanderte sie zum Lager, wo Cameron bestimmt war, um die Träger und Soldaten zu wecken. Sie schritt schneller aus. Vögel zwitscherten; Affen kreischten in den Bäumen, und Eidechsen huschten über den Pfad. Unwillkürlich überlegte Mary, ob der Gatte die vergangene Nacht bedauerte. Sie stellte sich seinen kalten, abweisenden Blick vor, der ihrem auswich, und seine fest zusammengepressten, am linken Mundwinkel verzerrten Lippen. Sie hatte sich ihm schamlos und enthemmt hingegeben. Wahrscheinlich glaubte er nun, sie würde sich immer so benehmen, und vermutete sogar, sie habe mit Arthur Tarrington-Leigh solche glühenden Liebesnächte erlebt.
Verzweifelt hielt sie, mittlerweile rennend, Ausschau nach dem Camp und fragte sich, wo es sein mochte. Sie war ganz sicher gewesen, es unter den
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