HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
presste die Lippen zusammen und schwankte zwischen dem Bedürfnis, die Gattin zu schütteln, und dem sinnlosen Wunsch, sie an sich zu drücken. Es gelang ihm jedoch, weder das eine noch das andere zu tun. „Du wirst uns nur behindern“, erwiderte er barsch. „Hättest du mit Mr. Robertson geredet, wüsstest du, dass die Kikuyu kurz vor einem Aufstand stehen. Und nun sind wir mitten in ihrem Gebiet.“
„Und welchen Unterschied macht das?“
„ Verdammt, Mary, ich habe dich zu deinem Besten bei den Robertsons gelassen.“
„Zu meinem Besten!“
Sie taumelte wie eine Trunkene, und Cameron hatte Mühe, sie zu halten.
„Und was ist mit gestern Nacht? War das auch nur zu meinem Besten?“
Die Frage traf ihn wie ein Peitschenhieb. „Du bist jetzt nicht in der Verfassung, Mary, um über gestern Nacht zu reden“, antwortete er und wurde sich bewusst, wie schnell er aus dem Himmel, den sie ihm geöffnet hatte, in die Hölle gestürzt war. „Wir können uns unterhalten, nachdem du dich gestärkt und ausgeschlafen hast.“
Mit einem Ruck entzog Mary sich der Hand des Gatten und blieb, mit gespreizten Beinen, um nicht zu fallen, stehen. „Ich werde dir jetzt sagen, was ich denke, und danach verlieren wir kein Wort mehr über diese Sache!“, fauchte sie ihn an. „Ich werde dich begleiten, Cameron, deinen Proviant mit dir teilen und sogar dein Zelt, und zwar so lange, bis wir Jennifer aufgespürt haben. Doch eines schreibe dir hinter die Ohren! Rühr mich nie wieder an! Und glaub mir, ich meine jedes Wort so, wie ich es geäußert habe!“
Die dem Wiedersehen mit dem Gatten folgenden Wochen waren die trübsten in Marys bisherigem Leben. Tag für Tag, vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, wurde der Marsch über staubige Hochlandpfade fortgesetzt. Das einengende Korsett war gleich am Morgen nach dem Zwischenfall mit den Hyänen im Feuer gelandet, und zum Twillrock trug Mary nun ein ihr von Cameron überlassenes Khakihemd, das sie mit einem Gürtel in der Taille raffte. Das Haar flocht sie zu einem Zopf, der ihr beim Gehen auf dem Rücken auf und ab wippte.
Das hastig eingenommene Frühstück bestand aus kaltem Fleisch, harten Keksen und dünnem Kaffee, das Abendessen aus dem oft zähen, kaum zu kauenden Fleisch der Tiere, die nachmittags geschossen worden waren. Meist fiel Mary vor Erschöpfung in Schlaf und wurde von grausigen Albträumen geplagt, in denen die Tochter in den dunklen Augenhöhlen von Hassans totenschädelartigem Gesicht verschwand.
Aber mehr und mehr gewöhnte sie sich an die Strapazen und wurde widerstandsfähiger. Selbst unter angenehmeren Umständen wäre der Treck zermürbend gewesen, doch da die Regenzeit bislang nicht eingesetzt hatte, stiegen bei jedem Schritt rote Staubwolken vom ausgedorrten Weg auf, die in Augen und Nase drangen und die Haut verklebten. Nur einige Bäume waren noch grün, und auch sie waren des Laubes beraubt, so weit das nahrungssuchende Wild reichen konnte. Überall an den ausgetrockneten Wasserstellen lagen verendete Tiere, und die Kadaver waren umringt von fressgierigen Gänsegeiern. Gelegentlich waren inmitten kleiner Felder mit verdorrten Maisstauden verlassene Eingeborenenhütten zu sehen, die Behausungen der Kikuyu, wie Cameron auf Marys Fragen erklärte. Es war seltsam, dass die als Furcht einflößend geltenden Bewohner so spurlos verschwunden waren.
Mit der Zeit war Cameron genötigt gewesen, das Trinkwasser zu rationieren. Klaglos hatte Mary diese Entscheidung hingenommen und nicht um eine größere Menge gebeten, obgleich sie in der Mittagshitze vor Durst fast umkam. Die Swahili waren jedoch nicht so duldsam, jammerten bei jeder Gelegenheit und konnten nur mit Drohungen, Flüchen und manchmal Bestrafungen bei Disziplin gehalten werden. Dank einiger Brocken Swahili, die Mary mittlerweile gelernt hatte, erfuhr sie, dass die Eingeborenen von Halil ibn Aybak in den Elendsquartieren von Mombasa angeheuert worden waren. Sie begann, sich Sorgen zu machen, denn der Emir hatte sich offensichtlich in der Hast und Eile nicht die Zeit genommen, vorher den Charakter der Söldner zu prüfen. Die erste Hälfte des Soldes hatten sie zu Beginn des Marschen erhalten; der Rest sollte ihnen nach vollendeter Mission ausgezahlt werden, zuzüglich einer Erfolgsprämie für die Befreiung von Marys Tochter. Nur die Aussicht auf das Geld und keineswegs Loyalität oder Mitgefühl für das Kind hielten sie bei der Stange. Aber die Träger waren faul und lustlos, die Askaris
Weitere Kostenlose Bücher