HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Finster und trotzig schaute Mary den Entführer ihrer Tochter an.
Er hob eine buschige Augenbraue und spielte mit der langen Lederpeitsche. „Du hast keine andere Wahl, Sahiba. Du wirst mir gehorchen, oder ich verprügele dich und schleppe dich zu Suleimans Zelt.“
„Ich werde nicht mitgehen!“ Mary bebte vor Entschlossenheit und wappnete sich innerlich gegen den Schmerz, den sie bald erleiden würde. Aber sie war nicht zum Nachgeben bereit und auch nicht gewillt, eine arme, unterwürfige, hoffnungslose, des Stolzes und Mutes beraubte Sklavin zu werden.
Hassan knurrte ungeduldig. „Du sture englische Hündin! Du hast noch viel zu lernen!“ Er griff eine Armeslänge hinter dem ledernen Halsring in die Kette und riss Mary mit einem Ruck herum, der ihr den Atem raubte. Einen schrecklichen Augenblick lang bohrte sich Hassans Blick in ihre Augen. Dann hob er die Hand und schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. Sie taumelte; rote Funken stoben ihr vor den Augen auf, und sie schmeckte Blut. Doch sie reckte den Kopf und hielt trotzig Hassans Blick stand. „Ich bin nicht dein Eigentum und werde niemandem gehören!“, zischte sie ihn an.
Hassan schnaubte vor Wut.
Einen Herzschlag lang befürchtete Mary, er würde sie noch einmal schlagen und stellte sich darauf ein, doch der Hieb blieb aus. Stattdessen spuckte Hassan verächtlich vor ihr aus und drückte Suleiman Kette und Peitsche in die Hände. „Ich habe nicht die nötige Geduld!“, schimpfte er. „Suleiman hat deine Dienste für heute Nacht gewonnen. Soll er dir doch Manieren beibringen! Ich werde zuschauen und mich amüsieren.“ Hassan schnippte mit den Fingern, und der wachthaltende Eingeborene holte aus dem Zelt einen gefüllten Weinschlauch und einen ledernen Faltstuhl. Hassan nahm wie ein König Platz und ließ sich in einem langen Strahl Wein in den Mund fließen. Der Wein troff ihm über die Lippen und rann ihm wie Blut in den grauen Bart und auf die schmutzige Gibbeh. Er murmelte Suleiman etwas in Arabisch zu und sagte dann mit anzüglichem Grinsen: „Und nun, meine stolze englische Stute, wird es mir das größte Vergnügen sein, dabei zuzusehen, wie du zugeritten und gezähmt wirst.“
Suleiman hielt immer noch die Kette in einer Hand. Er riss daran und zerrte Mary an sich. Sein gieriger Blick und die abscheuliche schwarze Warze auf der Nase verschwammen ihr vor den Augen. Sein Atem stank nach Knoblauch. Sie wehrte sich heftig und spürte durch seinen Binisch, dass er sehr erregt war. Im Nu hatte sie das rechte Bein hochgerissen und rammte ihm das Knie zwischen die Lenden. Er schrie auf, als sie ihn traf, taumelte rückwärts und krümmte sich vor Schmerz.
Hassan brüllte vor Lachen.
Mary wich so weit zurück, wie die Kette es ihr ermöglichte, und blieb sprungbereit stehen.
Erniedrigt und wütend straffte sich Suleiman, hob die Peitsche und ließ sie durch die Luft sausen.
Im selben Moment sah Mary eine große, dunkle Gestalt wie aus dem Nichts vor Hassan im aufspritzenden Morast landen.
Suleiman erstarrte.
Hassan verschluckte sich am Wein.
Mary unterdrückte einen Schrei, als sie begriff, was geschehen war.
Einer der beiden Swahili, der Jennifer am vergangenen Abend suchen gegangen war, lag im roten Matsch tot vor Hassans Füßen und war im Nu von Schmeißfliegen bedeckt.
„Hassan!“, rief Cameron aus Leibeskräften in Swahili von der hohen, überhängenden Felsnase, auf der er stand. „Wir wollen nur die Frau. Lass sie frei, und dann könnt ihr unbehelligt weiterziehen!“ Es war ein riskanter Bluff. Cameron hoffte, die Sklavenhändler würden nicht herausfinden, dass er, abgesehen von der Tochter, allein war. Rasch vergewisserte er sich mit einem Blick, dass Jennifer dort war, wo er sie zurückgelassen hatte. Er sah ihren Blondschopf zwanzig Schritte unter sich auf dem Abhang. Sie saß auf einer breiten Geröllhalde, sprungbereit wie eine Katze. Unwillkürlich wallte Stolz auf sie in ihm auf. Falls sie sich fürchtete, verstand sie es gut, das zu verbergen.
Hassan war aufgestanden, starrte zu der Steilwand hoch und erwiderte in überraschend gutem Englisch: „Kühne Worte! Aber ich habe nur eine Stimme gehört. Zeig dich, wenn du den Mut dazu hast.“
Cameron sank das Herz. Ja, er hatte gewusst, dass es nicht einfach sein würde. Wieder schaute er zu Jennifer und dann zu dem langen Stock, der aus einem sorgfältig aufgeschichten Steinhaufen ragte. Er schüttelte den Kopf und gab ihr damit das Zeichen, noch zu warten. Ruhig
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