HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Victoria sollte sich erst von ihrem Schrecken erholen können.“
„Ich will es nicht auf noch so einen Überfall ankommen lassen. Falls das geschieht, ist es nämlich sehr wahrscheinlich, dass sich Vicky überhaupt nicht mehr erholt – egal, wovon. Wir verlassen diesen Platz hier jetzt sofort.“
„Schon gut, Ali.“ Vicky streichelte seine Hand und fand Trost in dem menschlichen Kontakt, den Jed ihr verweigert hatte. „Sorgen Sie sich nicht um mich. Ich wäre jetzt ohnehin zu aufgeregt, um zu schlafen.“
Jed brummte irgendetwas Zustimmendes und half Victoria beim Aufsitzen. Danach ritt er voran durch die sternenklare Nacht.
Noch einmal schaute Victoria zurück. Ihr Blick fiel auf die Leichen der beiden Derwische. Wäre Jed nicht so geschickt gewesen, hätten dort jetzt sein und Alis Körper liegen können.
Sie blickte wieder nach vorn und betrachtete Jed scheu von der Seite. Sein stolzes Profil im Mondlicht erschien ihr wunderschön. Seine Bartstoppeln stießen sie nicht mehr ab; in ihren Augen waren sie nur ein Zeichen seiner Männlichkeit. Obwohl er herrschsüchtig, rücksichtslos und grob sein konnte und keine der gesellschaftlichen Tugenden besaß, die sie zu schätzen gelernt hatte, erkannte Victoria Shaw, dass Jed Kinkaid ein Mann von eigenem Recht war. Er schien seinem eigenen Ehrenkodex zu folgen, und der verlangte in mancher Beziehung von ihm weit mehr als der, an den sich die Gesellschaft hielt.
10. KAPITEL
Trotz der späten Stunde wurde Hayden Reeds Bürotür ohne Vorwarnung aufgerissen und ebenso schnell wieder hinter dem unerwarteten Eindringling ins Schloss geworfen. Ärgerlich über solches Benehmen wollte der Diplomat zu einem herben Verweis ansetzen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
„Reed …“
„Es tut mir sehr leid, Sir. Ich wollte zu Ihnen kommen, sobald ich diese Berichte …“
„Weder Mrs. Shaw noch ich konnten warten, bis Sie Ihren Mut zusammengerafft hatten“, sagte Cameron Shaw kalt. Nur das schüttere Haar deutete auf das Alter des kräftigen Mannes hin. Im gegenwärtigen Moment wäre Victorias wütender Vater in der Verfassung gewesen, diesen aufgeblasenen Schreibtischmenschen, der dreißig Jahre jünger war als er, nach Strich und Faden zu verprügeln, ohne sich dabei groß anzustrengen.
Nachdem er seine Angelegenheiten in Konstantinopel abgeschlossen hatte, war er erst heute nach Kairo zurückgekehrt und hatte gehört, dass Victoria vermisst wurde. Seine Gattin sowie seine Tochter mochten Reed für eine gute Partie halten, doch Cameron machte ihn für die vorliegende Situation verantwortlich. Was zum Teufel hatte der Kerl in den vergangenen zwölf Tagen eigentlich getan?
„Was haben Sie denn über meine Victoria in Erfahrung gebracht?“
Hayden erkannte den Angriff auf sein Territorium und bog ihn ab, indem er aufstand, um den Schreibtisch herumging und sich vor seinem Besucher aufbaute. „Meine Verlobte befand sich nicht in der Oase, als meine Männer dort ankamen. Es gab nicht einmal einen Beweis dafür, dass sie jemals dort gewesen ist. Es wäre vollkommen sinnlos gewesen, wenn ich mich dort hinbegeben hätte. Wie ich Mrs. Shaw wiederholt auseinandersetzte, würde ich bei meiner Position England in eine internationale Konfliktsituation gebracht haben.“
„Was ist mit dem Geld, das meine Gattin Ihnen gab? Und mit den Vagabunden, denen Sie es anvertraut haben? Können Sie für sie bürgen, oder sind sie zusammen mit meiner Tochter verschwunden?“
„Sollten wir uns nicht setzen und etwas trinken, während wir uns unterhalten?“, schlug der Diplomat vor. Obwohl er und Victorias Vater gleich groß waren, bereitete ihm dieses Gespräch im Stehen Unbehagen; es erinnerte ihn an die Vorladungen zu seinem Schuldirektor.
„Ich verlange Antworten, nicht Gin und Mitgefühl!“, fuhr Cameron Shaw ihn an. „Hören Sie auf zu zittern, und sagen Sie mir das Schlimmste.“
„Gewiss, Mr. Shaw. Freilich gibt es nichts ‚Schlimmstes‘. Ich meine, es stimmt, dass man Victoria nicht gefunden hat, doch wir glauben, sie wurde nach Khartum …“
„Khartum? Zum Paradies der Sklavenhändler?“ Entsetzt sank Cameron in einen Sessel. Seine Tochter an so einem Ort! Wieso stand dieser Idiot dann so ruhig hier herum?
„Die Stadt hat natürlich diesen Ruf, doch vergessen Sie nicht, bei dem Mann, der die Kidnapper verfolgt, handelt es sich um Jed Kinkaid, und der hat immerhin einen Stammeskrieg im Keim erstickt. Ein für die Wüste äußerst geeigneter Mann“,
Weitere Kostenlose Bücher