HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Chor der Stimmen ein.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als Katy neben ihm genauso laut wie falsch mit ihrer Sopranstimme mitsang. Während er sich umsah, um herauszufinden, ob irgendjemand ihr Singen missbilligte, entdeckte er Sarah. Gerade glitt sie in die Kirchenbank hinter ihm, am anderen Ende.
Donovan bekam eine trockene Kehle. Sarah wirkte so spröde, wie er sie noch nie gesehen hatte. Der Mund eine schmale Linie, das Haar streng aus dem blassen Gesicht zurückgekämmt, der Blusenkragen halshoch geschlossen und mit einer Silberbrosche befestigt. Die Brille saß ihr fest auf der Nase. Er beobachtete, wie sie sich setzte, und ihm fiel ein, wie sie sich voller Leidenschaft in seinem Arm gewunden hatte.
Wer bist du heute, wer warst du gestern, Sarah? Wie bist du wirklich? Das fragte er sie im Stillen.
Sie saß mit gesenktem Blick da, ihre Lippen formten die Worte des Chorals. Er fand, dass sie müde, wenn nicht sogar krank aussah. Die Kleidung, die Brille und die Frisur mochten Maskerade sein, die Schatten unter ihren blutunterlaufenen Augen waren echt.
Überraschend überkam ihn ein Anfall von Besorgnis. Wenn sie seinetwegen so aussah … doch warum sollte ihn das kümmern? Diese Frau war seine Feindin. Sie hatte ihm, seiner Familie, den Südstaaten mehr Unrecht getan, als sich wiedergutmachen ließ. Wenn es ihr nun schlecht ging, hatte sie das verdient.
Als der Choral endete, wandte er den Blick von ihr ab. Es brachte nichts, wenn ihn die Leute dabei beobachteten, wie er sie anstarrte. Das könnte missverstanden werden, und er hatte schon genug Ärger mit Varina. Jetzt würde er seinen Nichten ein gutes Beispiel geben und sich auf den Gottesdienst konzentrieren.
Er zwang sich dazu, jedem Wort bei der Bibellesung zu folgen. Es war ein finsterer und bedrückender Text, zitiert wurde er von einem sehbehinderten alten Mann, der mühsam die Buchstaben entzifferte und sich laufend räusperte. Donovan unterdrückte den Wunsch, seine Taschenuhr hervorzuholen, um zu sehen, wie spät es war. Von Varina wusste er, dass das Treffen gegen elf endete. Wie viele Minuten trennten ihn noch von diesem gesegneten Moment?
Sarahs Gegenwart war ihm nur allzu bewusst. Er musste an das denken, was er alles schon in der Wut zu ihr gesagt hatte. Wie war das nur möglich gewesen? Er war niemals in seinem Leben einer Frau gegenüber gewalttätig geworden. Offenbar hatte er im tiefsten Winkel seines Herzens Lydia begehrt wie keine andere Frau.
Mit einem Amen, in das alle einfielen, endete die Lesung aus der Schrift. Donovan wusste, dass die verbleibende Zeit den Versammelten zur Verfügung stand. Er bemühte sich darum, Widow Harley aufmerksam zuzuhören, die von einem Überfall der Komantschen in den fünfziger Jahren zu berichten begann, und der Offenbarung des alten Mannes zu lauschen, der aus der Bibel vorgelesen hatte. Er sprach davon, dass ihm einst sein Sohn, den er in Gettysburg verloren habe, als Geist erschienen sei. Aus den gelangweilten Mienen der Umsitzenden schloss er, dass diese die Geschichten schon kannten. Immerhin waren sie für ihn neu, deshalb gab er sich redlich Mühe, ihnen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
Aber das Zuhören war nicht ganz leicht. Ihm kamen zu viele lange begrabene Fantasien in den Sinn, es war, als würde der Höllenfürst persönlich ihn mit einer Fackel foltern …
Zum Beispiel stellte er sich wie so oft damals in Virginia vor, wie Lydia im Mondlicht dalag, das seidige Haar auf dem Kissen ausgebreitet, den Geruch von Jasmin um sich herum … wie er ihre Brüste umfasste, die von einem dünnen, spitzenbesetzten Nachthemd umhüllt waren, um die Knospen zu streicheln, bis sie sich hart aufrichteten … wie sie ihn fest an sich zog, sein Haar zerwühlte, seinen Kopf hinunterschob auf ihren flachen Bauch und die Oberschenkel öffnete, um seiner Zunge ihr nach Moschus duftendes Geheimnis preiszugeben.
„Ich habe noch nie in dieser Versammlung gesprochen.“ Das war Sarahs Stimme. Ihr harter Nordstaatler-Tonfall holte Donovan jäh in die Gegenwart zurück. Halb stand sie im Gang, sie umklammerte haltsuchend die Lehne der Kirchenbank vor sich, wobei die Knöchel an ihren Händen weiß hervortraten. Ihr Gesicht war bleich, ihre Haltung steif vor Anstrengung.
Nein! Donovan starrte sie an, eine dunkle Vorahnung erfasste ihn. Er wusste schon, was nun kommen würde. Unverständlicherweise hatte er das starke Bedürfnis, sie daran zu hindern, ihr ins Wort zu fallen und sie aus der Kirche zu
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