HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Wildwood, hätte er die beiden ohne einen Gedanken zu verschwenden nach dem Krieg verlassen und woanders ein neues Leben angefangen.
Aber er hatte Wildwood, wohin er zurückkehren musste. Seine Blicke fielen auf das Porträt über dem Kamin. Er konnte sich erinnern, wie er als kleiner Junge mit drei, höchstens vier Jahren hier gesessen und fasziniert zugeschaut hatte, wie das Bild gemalt wurde. Die kräftigen Pinselstriche des Künstlers hatten ihn so begeistert, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie viele Stunden er still in derselben Haltung verharren musste. Seine Mutter schien nie müde zu werden. Immer hatte ein sanftes Lächeln auf ihren feinen Zügen gelegen.
Geduld war eine ihrer Haupttugenden gewesen. Sie hatte nicht als besonders schön gegolten; aber für Rafe war sie die schönste Frau der Welt gewesen, um die sich alles in seinem jungen Leben drehte. Obwohl ihre kornblumenblauen Augen sanft blickten, lag auf ihrem Gesicht mit den hohen Wangenknochen ein Zug von Strenge und Dickköpfigkeit.
Charlotte Amberville hatte die Farbe Gelb besonders geliebt. Es sei die Farbe der Sonne und des Lebens, hatte sie ihm einmal erklärt. Gelb dominierte in dem kleinen Raum, in dem er jetzt saß, und in dem dahinterliegenden Schlafgemach. In ein Zimmer schien morgens die Sonne, ins andere während des Tages. Während seiner Abwesenheit hatte Hannah die Suite perfekt in Ordnung gehalten, wie er sie gebeten hatte. Rafe wollte damit seinen Vater immer daran erinnern, dass es nur eine Herrin auf Wildwood gegeben hatte: Charlotte, und dass er ihm nie verzeihen würde, wie er seine Frau während der turbulenten Jahre ihrer Ehe behandelt hatte.
Rafe fielen die Augen zu. Gähnend überlegte er, ob er aufstehen und sich rasieren sollte …
Da klopfte jemand an die Tür. Instinktiv griff er zur Pistole im Gürtel. Aber dann merkte er, dass er ja nicht die Uniform trug und nicht auf harter Erde, umgeben von tödlichen Gefahren, schlief.
„Wer ist da?“
„Shanna de Lancel. Ich muss Sie unbedingt sprechen.“
Schnell schloss Rafe auf und öffnete die Tür.
Shanna stand einen Augenblick zaudernd auf der Schwelle, ehe sie ins warme und helle Zimmer trat.
Obwohl es noch sehr früh war, sah sie hinreißend aus. Das glänzende rabenschwarze Haar war zu Locken gebürstet, die von einem dunkelgrünen Band seitlich zusammengehalten wurden. Der große, breitrandige Hut war mit einer grünen Schleife unter dem Kinn befestigt. Das Kleid war grünweiß kariert, einfach, aber elegant geschnitten. Dazu trug sie einen passenden Retikül und einen Sonnenschirm. Ganz plötzlich tauchte vor Rafes Augen ein Bild von Shanna auf, in dem sie ein gelbes Kleid aus Seidenmoiré trug und die Haare wie zu einer Krone hochgesteckt hatte. Duftende Magnolienblüten steckten darin.
„Ist … ist irgendetwas nicht in Ordnung?“ Shanna machte die eingehende Prüfung nervös. „Das ist das beste Kleid, das ich im Augenblick habe. Wir konnten auf der Plantage nichts retten, und in Atlanta fand ich es unnötig, neue Kleider zu kaufen, da ich die meiste Zeit im Lazarett oder bei Versammlungen des Wohltätigkeitskomitees verbrachte. Geld war zu kostbar. Ich dachte, ich sähe ordentlich genug aus, um den Rechtsanwalt aufzusuchen …“
„Verzeihen Sie mir bitte. Ich sehe Sie nur so gern an“, erklärte Rafe ungerührt liebenswürdig.
Shanna errötete tief. „Sie klingen beinahe wie Ihr Bruder. Er überschüttet mich den ganzen Tag über mit Komplimenten. Er ist wirklich süß. Langsam bekomme ich das Gefühl, wirklich zur Familie zu gehören. Aber Sie sind doch erst so kurze Zeit hier …“ Shanna zögerte. Jetzt, wo sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, wurde sie unsicher. Rafe hatte sie absichtlich gemieden, das stand fest. Wayne dagegen hatte jede Gelegenheit benutzt, sie mit Beschlag zu belegen. Es war ihr nicht unangenehm gewesen. Sie war so lange allein gewesen, dass sie sich freute, immer jemanden in der Nähe zu haben, mit dem sie sich unterhalten konnte, der ihr schmeichelhafte Komplimente machte und das Gefühl gab, begehrenswert zu sein.
„Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht mit uns nach Savannah fahren wollen. Ich hatte erst etwas Angst davor, mich mit dem Anwalt zu unterhalten und mich mit den Angelegenheiten meines Vaters zu beschäftigen, aber dann habe ich mich dazu durchgerungen. Es ist besser, das Ganze ein für alle Mal hinter sich zu bringen. Hinterher wollte ich noch einkaufen gehen und …“
Sie brach ab,
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