HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Pistole nicht. Vielleicht brauchen Sie diese selbst, um Ihre Familie zu beschützen. Den Gürtel gebe ich jemandem, der bald wieder ins Feld muss. Ich weiß, dass er ihn in Ehren halten wird“, sagte Shanna. Dann rollte sie den Gürtel zusammen, gab ihn aber nicht Benjamin, sondern Tante Lea. Diese legte ihn in ihre Tasche. Völlig entgeistert starrte die arme Frau auf die Goldmünze in ihrer Hand. Dann brach sie in Tränen aus. Sie nahm Shanna in den Arm und küsste sie auf die Wangen.
„Gott segne Sie und Ihren Mann. Ich werde beten, dass er zu Ihnen zurückkommt.“
Nachdem die Frau im Gedränge verschwunden war, sagte Tante Lea: „Ich bin sicher, dass Rafe Amberville von diesem Geschenk sehr beeindruckt ist.“ Sie hatte sofort gewusst, für wen das Geschenk bestimmt war.
„Er ist nun mal ans Beste gewöhnt, und der Gürtel ist von Magee, Horter und George in New Orleans gemacht. Dort haben auch Vater und James immer gekauft. Aber ich habe nur daran gedacht, der armen Frau zu helfen. Wie viel länger kann dieses Leiden noch dauern?“
Dann stieß sie einen Schrei aus, als die bewaffneten Frauen sie umringten und mitzerrten. Doch sofort hatte Tante Lea sie am Arm gepackt und zog sie beiseite. Eine kräftige Frau prallte mit Shanna zusammen. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel auf ein Knie. Der Stoß hatte ihr die Luft geraubt. Jemand zog sie hoch und versuchte wieder, sie mit der Menge mitzuschleppen. Obwohl Shanna sich verzweifelt wehrte, konnte sie sich nicht von dem Griff befreien.
Da bahnte sich ein Mann rücksichtslos einen Weg durch die Frauen, packte Shanna um die Taille und trug sie an einen sicheren Ort. Sie sank in die stützenden Arme. Das Knie tat so furchtbar weh, dass sie kaum stehen konnte. Ihre Wange lag an einem dunkelblauen Jackett aus feinstem Tuch, das schwach nach Tabak roch. Sie hob die Augen, um ihrem Retter zu danken. Doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie schaute direkt ins gebräunte Gesicht von Rafe Amberville. Er lachte, als er ihr ungläubiges Staunen sah, und brachte sie in eine verlassene Seitengasse.
„Die Leute werden sich das Maul zerreißen, wenn wir uns weiterhin unter derartig seltsamen Umständen begegnen“, spottete er.
„Sie haben bereits angedeutet, dass es reicht, in Ihrer Gesellschaft gesehen zu werden, um Anlass für Klatsch zu geben“, erwiderte Shanna und machte sich von ihm los. Doch sobald sie auf beiden Beinen stehen wollte, knickte das rechte ein, sodass sie wieder gegen Rafe fiel.
„Sie sind verletzt!“ Keine Spur von Spott mehr, als er sah, wie sie schmerzlich das Gesicht verzog. „Wir müssen sofort einen Platz finden, wo Sie sich ausruhen können. Können Sie ein bisschen auftreten, oder soll ich Sie tragen?“
„Nein, das ist nicht nötig“, stieß Shanna hervor. Dann biss sie sich auf die Lippe, um nicht vor Schmerzen aufzuschreien, als sich glühende Nadeln in ihr Knie zu bohren schienen.
„Wo ist Tante Lea? Wir wurden getrennt. Und wo ist Benjamin? Diese Frauen … Oh mein Gott! Was war das?“
„Gewehrfeuer. Ich habe gesehen, wie die Armee in diese Richtung vorgerückt ist“, antwortete Rafe finster. Nach wenigen Schritten war klar, dass Shanna nicht gehen konnte. „Dieser Haufen unfreundlicher Frauen – obwohl ich verstehen kann, dass sie in ihrer Zwangslage zu extremen Mitteln greifen – hat heute Nachmittag ziemlich schlimm in der Stadt gewütet. Acht Geschäfte wurden geplündert und zerstört. Zwei unbeteiligte Passanten mussten verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Dabei ist dort wirklich kaum noch Platz.“
„Aber die Soldaten würden doch nie auf die Frauen schießen, oder?“, fragte Shanna entsetzt. Insgeheim musste sie sich allerdings eingestehen, dass es bei der Aggressivität der aufgebrachten Frauen womöglich keine Alternative gab.
„Wahrscheinlich nicht. Sie wollen sie nur zu Tode erschrecken. So wie die Frauen Sie erschreckt haben.“
„Ja, das stimmt.“ Shanna nickte. „Sie haben mich an die Zeit erinnert, als ich völlig verzweifelt war. Ich hätte damals auch alles getan …“
„Ja, Erinnerungen haben die unangenehme Angewohnheit, ohne Warnung plötzlich aufzutauchen.“ Rafes blaue Augen musterten ihr Gesicht so durchdringend und so ernst, dass ihr klar wurde, dass sie beide Schreckliches durchgemacht hatten und dass dieses Leid eine starke Verbindung zwischen ihnen darstellte. Bittere Erinnerungen … Rafe hatte ebenso viele wie sie, aber er musste genauso damit leben wie sie.
Weitere Kostenlose Bücher