HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Trotzdem bewegte er sich mit der Geschmeidigkeit einer Wildkatze. Blitzschnell stand er vor ihr. Die Augen waren verengt, sodass sie die Farbe zuerst nicht erkennen konnte. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Shanna spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Kein Mann hatte sie je so unverschämt angestarrt! Das hätte sie nie gestattet!
Er trug die Uniform eines Offiziers der konföderierten Armee. Allerdings war die Uniform sehr schmutzig und stellenweise zerrissen. Die Jacke stand offen, und das halb geöffnete Hemd darunter ließ die Brust frei, auf der blondes Haar zu sehen war, welches die gleiche Farbe hatte wie das auf seinem Kopf. Das sonnengebräunte Gesicht wirkte abweisend durch den kalten Ausdruck der blauen Augen. Die staubigen Stiefel lagen auf dem Teppich vor dem Sofa, daneben war achtlos ein ebenso schmutziger Hut geworfen worden.
„Wer sind Sie?“ Shannas Stimme klang weniger fest, als es ihr lieb war.
„Wer zum Teufel sind Sie?“, stieß der Fremde hervor. Er starrte sie an, bis sie unter dem durchdringenden Blick die Augen niederschlug. Erst dann steckte er die Pistole zurück ins Holster. „Und was zum Teufel machen Sie in meinen Zimmern? Mit einem Willkommenskomitee hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.“
„Ich bin Shanna de Lancel, Mr. Ambervilles Gast.“
Shanna war erleichtert, dass er die Waffe weggesteckt hatte. Seit Baton Rouge hatte sie schreckliche Angst vor Fremden – vor jedem Schatten, vor jedem unbekannten Geräusch …
„Ich hatte keine Ahnung, dass er wieder auf Freiersfüßen wandelt. Ich gehe davon aus, dass Sie Alexander Amberville meinen und nicht Wayne … nein, mein Bruder versteckt seine Frauen lieber vor meinem Vater“, fuhr er bitter fort.
„Ihr Bruder … Vater …“, stammelte Shanna. Jemand hatte ihr erzählt, dass Alexander Amberville zwei Söhne habe; aber da sie den anderen Sohn nie gesehen hatte und die beiden Männer ihn niemals erwähnt hatten, wenn sie zu Besuch kamen, hatte sie ihn ganz vergessen.
Wäre Shanna vorher nicht so furchtbar erschrocken, hätte sie jetzt sicher gelacht, als der Mann einen Schritt zurücktrat und eine tiefe Verbeugung machte, wobei er in der einen Hand eine halb gegessene Hühnerkeule hielt. Dann schlug ihr der Whiskeygeruch ins Gesicht! Er hatte sich nicht nur über die Reste des Abendessens hergemacht, sondern auch noch über Alexanders Whiskey!
„Ja, der Krieg hat mich nicht meiner guten Manieren beraubt. Das kann ich Ihnen versichern; aber das gute Essen und eine halbe Flasche haben meine Sinne leicht getrübt. Gestatten Sie mir, dass ich mich Ihnen vorstelle: Ich bin Rafe Amberville. Mit Sicherheit haben Sie schon von mir gehört, oder?“
„Nein, Mr. Amberville, habe ich nicht.“ Shanna machte einen Schritt rückwärts.
Rafe Amberville ging zur Chaiselongue, ließ sich darauf fallen und legte die langen Beine über die Seitenlehne.
„Aus den Augen, aus dem Sinn! Mein lieber Vater und mein lieber Bruder haben mich offenbar sehr vermisst!“
Hörte sie eine Spur von Lachen in seiner Stimme? Aber kein Lächeln lag auf diesem Gesicht. War es Traurigkeit? Ja, es war eine Bitterkeit, welche ihr zuvor bereits aufgefallen war und die sie nicht verstehen konnte. Rafe Amberville war aus dem Krieg zurückgekehrt, und sie hatte seine Räume belegt! Wie konnte sein Vater so gedankenlos sein?
„Ich werde Hannah wecken und mir ein Bett in einem anderen Zimmer machen lassen. Morgen werden Sie Ihre Suite zurückhaben, das versichere ich Ihnen. Ich hatte ja keine Idee …“
Aus der Richtung des Sofas kam keine Antwort. Shanna blieb einen Augenblick stehen und überlegte, warum er plötzlich so still war. Dann ging sie zögernd ein paar Schritte näher. Er hatte die Augen geschlossen! Rafe Amberville schlief! Wie albern von ihr, dass sie nicht daran gedacht hatte, wie erschöpft er war!
Shanna ging zur Tür. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie noch nie unten gewesen war und nicht wusste, in welchem Raum Hannah schlief. Aber sie wusste, dass ein großer Wäscheschrank auf dem Korridor in der Nähe ihres Zimmers war. Tante Lea hatte ihn erst neulich inspiziert und ihr erzählt, wie viel Bettwäsche, Gardinen und andere Dinge darin ordentlich zusammengefaltet und aufgestapelt seien. Offenbar benutzte man ihn selten.
Dort fand sie bestimmt etwas Passendes. Aber sie konnte Rafe nicht umbetten! Er musste hierbleiben bis zum Morgen. Der Gedanke gefiel ihr gar nicht; aber was konnte sie tun? Vorsichtig schlich sie den
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