HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
schienen zu Eisstücken zu werden; so kalt blickte Rafe Shanna an, dass sie fröstelte. Wortlos führte er sie von der Tanzfläche. Doch als sie auf die Terrasse gehen wollte, verstellte er ihr den Weg.
„Wenn ich zurückkomme – und ich werde zurückkommen –, werde ich mir das nehmen, was mir rechtens gehört, und mit denen abrechnen, die es mir weggenommen haben. Sei lieber nicht hier. Um deinetwillen – sei dann nicht hier!“
Shanna zitterte innerlich. Die Drohung hatte sie zutiefst erschreckt. Doch da verschwand Rafe bereits in der Menge. Was konnte er ihr antun? Nichts! Alexander und Wayne würden sie beschützen; aber wie konnte sie sich selbst gegen die Liebe schützen, die sie empfand und unterdrücken musste? Wenn irgendetwas sie vernichtete, dann die Liebe zu Rafe Amberville!
Rafe ging zum Büfett und nahm sich ein paar leckere Kleinigkeiten.
Abraham schenkte ihm ein und raunte ihm dabei zu: „Leon ist gerade zurückgekommen. Alles ist gut versteckt. Master Wayne wird lange nicht merken, dass etwas fehlt.“
„Es sei denn, er bekommt eine Riesenbestellung, aber bei den Preisen bezweifle ich das“, meinte Rafe ohne einen Anflug von Humor. „Ist er noch draußen?“
„Er genießt die frische Luft mit Miss Damaris“, antwortete Abraham.
Jetzt lächelte Rafe zynisch. „Das ist nicht alles, was er genießt – und direkt unter Claudes Nase. Anscheinend macht es ihm zurzeit Spaß, gefährlich zu leben – oder die neu entdeckte Macht ist ihm zu Kopf gestiegen.“
„Was ist wem zu Kopf gestiegen?“, fragte Alexander und trat neben seinen Sohn. „Ist es möglich, dass du dich dazu durchgerungen hast, dich doch noch zu amüsieren?“
„Bei so vielen erlesenen Speisen muss ich es mir doch gut gehen lassen, oder?“, antwortete Rafe.
„Das verdanken wir alles Wayne.“ Der Vaterstolz war nicht zu überhören. Rafe biss die Zähne zusammen. „Seine Fahrt nach Savannah war äußerst erfolgreich. Allerdings hat er mir nichts darüber verraten, bis alle Sachen eintrafen. Kaffee, Zucker, Kakao, Kaviar und französischer Champagner. Natürlich musste ich dafür eine Menge Geld hinblättern – diese Schwarzmarktpreise! –, aber das ist es mir wert, damit Shanna glücklich ist.“
Rafe tat so, als sei er mit dem Kaviar auf seinem Sandwich beschäftigt, weil ihm momentan die Worte fehlten. Was war er nur für ein Idiot! Er hätte wissen müssen, dass diese Köstlichkeiten aus Waynes geheimem Lager stammten! Sein Vater bezahlte ein zweites Mal für Ware, die rechtmäßig längst ihm gehörte! Wenn er je an seinem Verdacht gezweifelt hatte, dass Wayne den Vater hasste, dann war dieser Zweifel jetzt wie weggeblasen. Damit war völlig gerechtfertigt, dass er dem Bruder den unrechtmäßigen Profit weggenommen hatte.
„Hat einer von euch Damaris gesehen? Sie hat gerade noch mit Wayne getanzt.“ Claude LaFontaine trat zu den beiden Männern, die stumm dastanden, weil ein höfliches Gespräch zwischen ihnen nicht mehr möglich war.
„Vielleicht will sie kurz Luft schöpfen“, sagte Rafe. „Es ist hier sehr warm, und sie hat keinen Tanz ausgelassen.“
Diese Tatsache war Claude ebenso wenig entgangen wie Damaris’ Abwesenheit.
„Komm mit in die Bibliothek, alter Freund. Ich habe da noch eine Flasche Brandy, die für uns beide genau das Richtige ist“, schlug Alexander vor. Es war nicht das erste Mal, dass Damaris mit einem Mann verschwunden war, der nicht ihr Gatte war. Alexander wollte keinen Ärger unter seinem Dach. Wie dumm von Wayne, im selben Augenblick auch hinauszugehen. Claude war so misstrauisch, dass er sofort das Schlimmste annahm, wenn ein Mann seine Frau auch nur von der Seite anschaute. Aber dann stellte er erleichtert fest, dass Shanna ebenfalls nicht da war. Sie war natürlich mit Wayne zusammen.
Shanna wollte auf der großen Veranda vor dem Haus warten, bis sie sich nach Rafes verletzenden Bemerkungen so weit gefasst hatte, dass sie wieder zu den anderen hineingehen konnte. Die kühle Abendbrise fächelte ihr Kühlung zu, als sie in einem bequemen Rattanstuhl saß und dem Gurren der Fächerschwanztauben auf dem Dach lauschte. Vom Bayou her kam das Quaken der Frösche. Grillen zirpten laut. Auch eine Eule rief in der Ferne. Von den Sklavenquartieren drang leiser melodischer Gesang an ihr Ohr. Plötzlich hatte sie Heimweh. Auf der Plantage in Baton Rouge war es auch so friedlich gewesen. Niemals hatte sie gedacht, den Tag erleben zu müssen, an dem jemand oder etwas das
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