HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
wusste er doch, was zwischen ihnen geschehen war, und schämte sich, es zuzugeben? Oder ging ihm etwas im Kopf herum, wodurch sie wieder zu Fremden wurden? Shanna wusste es nicht. Sie trank noch einen Schluck Kaffee. Diesmal hielt ihre Hand die Tasse fester. „Ich glaube, er möchte den Bart loswerden, aber lass dich von ihm zu nichts überreden. Er ist noch nicht kräftig genug, um das Bett zu verlassen.“
Letzte Nacht war er sehr kräftig gewesen … Shanna wurde tiefrot, als sie sich erinnerte, wie sie auf dem Gipfel der Leidenschaft seinen Namen gerufen und ihn umschlungen hatte, wie ihr Körper sich ihm entgegengewölbt hatte, um sich vollkommen dem Feuer sengender Leidenschaft hinzugeben, das sie einhüllte.
Hannah warf ihr einen langen nachdenklichen Blick zu, als sie die hochroten Wangen sah. Dann bereitete sie weiter das Frühstück für Alexander vor und stellte die Sachen auf ein Tablett.
Zwei Stunden später kam Rafe nach unten. Er lehnte sich schwer auf Leons Arm und ließ sich im Schatten der Südveranda in einem Sessel nieder.
Shanna floh in den Gemüsegarten, wo sie die Arbeit aufgrund Rafes Erscheinen unterbrochen hatte. Sie brauchte Zeit, um sich zu fassen. Niemals, nie und nimmer, würde sie erwähnen, was zwischen ihnen geschehen war. Das schwor sie sich. Wenn Alexander etwas ahnte … er würde morgen schon einen Geistlichen auf die Plantage holen, damit sie heirateten. Obwohl Shanna davon träumte, dass Rafe ihr einen breiten Goldring an den Finger steckte, würde sie lieber ohne ihn leben, als auf diese Weise seine Frau zu werden. Wenn nur Tante Lea da wäre und ihr einen guten Rat geben könnte … Sie grub so wild entschlossen die Erde um, dass dabei der Schaufelgriff brach.
„Gehst du mir absichtlich aus dem Weg?“, fragte Rafe, als sie sich zwei Tage später auf dem Korridor vor der Bibliothek begegneten. Draußen war es bewölkt und sah nach Regen aus. Shanna hoffte, es würde kräftig regnen. Danach war der Boden leichter zu bearbeiten. „Komm und trink einen Schluck mit mir. Wir müssen miteinander reden.“
„Ich bin schmutzig … ich muss mich waschen und umziehen“, protestierte Shanna. Seine Augen musterten sie von Kopf bis Fuß. Nichts entging ihnen. Sie sah wie eine Feldarbeiterin aus, nicht wie die tüchtige junge Frau, die seit dem Unfall seines Vaters die Plantage geleitet hatte, wie Leon ihm berichtet hatte.
„Verdammt, ich meine – jetzt!“ Er packte sie am Handgelenk und zog sie in die Bibliothek. Dann schloss er die Tür. „Setz dich! Wir haben viel zu besprechen.“
Shanna setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Eine Karaffe mit Brandy stand darauf und zwei Gläser, von denen eins halb voll war. Rafe schenkte das zweite ein und schob es ihr hin. „Du siehst aus, als könntest du das brauchen.“
Dann drehte er sich um und schaute durchs Fenster auf den dunkler werdenden Himmel. Auch er betete um Regen, allerdings aus einem ganz anderen Grund. Aufgeweichte Wege würden Shermans Vormarsch behindern, wenn die Wagen und Geschützlafetten im Schlamm steckenblieben, vielleicht den General sogar zum Aufgeben zwängen. Dann wendete er sich wieder Shanna zu. Ihm war in ihrer Gesellschaft ebenso ungemütlich wie ihr in seiner. Das merkte sie deutlich, als er zum Lederstuhl hinter dem Schreibtisch humpelte und sich setzte.
„Ich will alles wissen, was sich ereignet hat, seit ich weggeritten bin“, sagte er. Das hatte er nicht sagen wollen. Er wollte ihr danken für die Pflege. Wenn Leon es ihm nicht gesagt hätte, hätte er nie gewusst, dass Shanna sich so um ihn gekümmert hatte. Vielleicht hatte er deshalb geträumt, dass er sie in den Armen hielt, wie so oft in den einsamen kalten Nächten in Atlanta, ehe die Armee den Rückzug antrat und seine vielversprechende militärische Karriere so abrupt geendet hatte.
„Ich bin sicher, dass Leon dir alles mit sämtlichen Einzelheiten berichtet hat.“ Shanna rührte das Glas nicht an. Er runzelte die Stirn, als sei er verärgert, dass sie so distanziert war. Aber was erwartet er denn von mir?, fragte sie sich. Er hatte es klar und deutlich gesagt, dass er heimkehren wollte, um das wieder in Besitz zu nehmen, was ihm rechtmäßig gehörte: Wildwood! Für sie gab es da keinen Platz, es sei denn – falls Alexander das wünschte – als Hausdame. Sie konnte dem Haushalt weiterhin vorstehen, während Rafe die Verantwortung für alles andere übernahm, womit sie sich während seiner Abwesenheit befasst hatte.
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