HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Braunen, der vor die Kutsche gespannt war. Das Pferd wies ebenso wie Mr. Galloways Kleidung auf eine Lebensführung hin, die von der ihren genauso weit entfernt war wie ihr Dasein von dem der Frauen in Barbary Coast. „Was für ein schönes Tier“, sagte sie und überlegte sich, wie sie ihre Bitte am besten formulieren konnte. „Gehört es Ihnen?“
Wie als Antwort auf ihre Frage schüttelte der Hengst in diesem Augenblick so heftig den Kopf, dass sein Geschirr klirrte.
„Nein, das tut er nicht. Ich kann mich glücklich schätzen, eine ganze Reihe von Freunden zu haben, deren Pferde Auslauf brauchen; zu denen gehört auch dieser Bursche. Aber Sie haben mir noch nicht geantwortet“, sagte er sanft.
Lilly strich dem Pferd sanft über die Nüstern. „Worauf?“, wollte sie wissen.
„Ob Sie eine kleine Fahrt mit mir machen möchten.“
„Eine Fahrt“, wiederholte sie. Deegan meinte damit natürlich den Park. Sie würden nebeneinandersitzen, als ob sie keinerlei Sorgen hätten. Vielleicht traf das ja auf ihn zu. Er sah jedenfalls sehr unbekümmert aus.
Mr. Galloway seufzte theatralisch. „Lilly, können Sie nicht einmal Ihre gewichtigen Überlegungen beiseiteschieben?“
Sie wünschte, sie hätte ebenfalls in diesen neckenden Tonfall einstimmen können, doch es war nicht möglich. Deshalb klopfte sie dem Pferd ein letztes Mal auf den Hals und sagte leise: „Ich habe Verpflichtungen. Und Sie sind bestimmt auch beschäftigt.“
„Lilly?“
Sie sah zu Deegan auf und stellte fest, dass er ihr eine Hand entgegenstreckte, um ihr auf den Einspänner zu helfen.
Ohne nachzudenken, ergriff sie seine Hand und kletterte auf die Kutsche.
„Die einzige Verabredung, die ich heute habe, ist mit Ihnen“, sagte er und zeigte auf die eingewickelten Gegenstände, die er inzwischen unter der Sitzbank verstaut hatte. „Ich habe Ihre Sachen von Hannah mitgebracht.“
Er war also nur gekommen, um sie zu sehen und ihr die Kamera zurückzubringen. „Oh“, sagte sie verwirrt.
„Wenn Sie die Sachen behalten möchten, sollten wir sie zuerst an einen sicheren Ort schaffen. Dann fahre ich Sie dorthin, wohin Sie gerade wollten.“
Obwohl Lilly seiner Hilfe bei der Aufklärung des Mordes dringend bedurfte und sie auch wünschte, wusste sie nicht, ob sie ihm von Edmund erzählen und ihn bitten sollte, sie bei der Zeitung abzusetzen. Ihr Bruder wollte seine Identität als der Kolumnist Minos nicht allgemein bekannt machen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur ein paar Einkäufe erledigen. Wenn Sie nichts dagegen haben, können Sie mich beim Metzger absetzen, und danach könnten Sie meine Kamera zu Hause abliefern.“
„So leicht werden Sie mich nicht los, Lilly“, sagte Deegan und gab dem Pferd ein Zeichen, weiterzulaufen. „Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass Sie heute besonders hübsch aussehen?“
Aha, er versucht es also wieder mit Charme, dachte Lilly. Sie musste sich endlich gegen seine Verführungskraft wappnen.
„Und wenn Sie nicht bald aufhören, so hinreißend auszusehen“, fuhr er fort, „werde ich nicht anders können, als Sie noch einmal zu küssen.“
Ihr Entschluss, Mr. Galloway zu widerstehen, wurde von einer Welle der Erregung hinweggeschwemmt.
Einen Augenblick lang befürchtete sie, dass er sie wirklich gleich küssen würde. Ihr Herz begann bei dieser Vorstellung rascher zu klopfen, ehe sie sich zur Räson rief. Welch abstruse Ideen gingen ihr doch durch den Kopf! So tollkühn Deegan auch sein mochte – er würde sie bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit in eine peinliche Lage bringen.
Als er sich zu ihr beugte, zeigte er sich tatsächlich nur als der höfliche Gentleman, der er war. „Haben Sie letzte Nacht gut geschlafen?“
Sein warmer Atem streifte die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr. Die kommende Nacht würde es ihr sicher sehr schwerfallen, überhaupt ein Auge zuzutun. „So gut es unter den gegebenen Umständen ging“, erwiderte sie. „Und Sie?“
„Ausgezeichnet. Vielleicht weil ich von Ihnen geträumt habe.“
Lilly errötete, auch wenn sie sich sicher war, dass er schwindelte. Er gebrauchte einfach seinen Charme, um sie zu betören. Eine Bedeutung hatten solche Sätze nicht. Aber sie erfreuten sie trotzdem.
„Haben Sie heute Morgen etwas Ungewöhnliches mit der Post erhalten?“, fragte Deegan.
„Nein. Sollte ich das?“
Da sie ihren Blick fest nach vorn gerichtet hielt, konnte sie seine Miene nicht sehen. Doch seine Überraschung spiegelte sich in
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