HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
gewesen.“
Der Zuhälter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Du scheinst mir in der besseren Position zu sein, diese Frau zu finden.“
„Stimmt.“
„Aber wirst du es auch tun?“, drängte er.
Der Mann nahm die Whiskeyflasche und goss zuerst Severn und dann sich selbst noch ein Glas ein. „Oh ja“, sagte er. „Ich werde sogar mehr tun als sie nur finden, Karl. Ich werde sichergehen, dass sie keinem von uns mehr gefährlich werden kann.“
9. KAPITEL
Franklin Street befand sich im Wandel. Was früher einmal eine bescheidene Wohngegend gewesen war, veränderte sich allmählich zu einem wohlhabenden Viertel. Große, luxuriöse Häuser entstanden um das zweistöckige Ziegelgebäude der Renfrews, das dadurch fast winzig aussah. Aber Deegan gefiel Lillys Zuhause. Am Tag zuvor hatte er nicht besonders auf die architektonischen Besonderheiten geachtet, doch als er diesmal in seinem geliehenen Einspänner darauf zufuhr, musterte er das Gebäude eingehend. Wie die gewaltigen Blöcke in der California Street viel über ihre Besitzer aussagten, so spiegelte auch das Haus der Renfrews den Lebensstil und die Gewohnheiten von Lillys Familie wider – Gewohnheiten, die zum Glück so fern von Barbary Coast und seiner Jugend lagen wie nur möglich.
Im Gegensatz zu dem verfallenen Häuschen, in dem Hannah noch immer lebte, war das Heim der Renfrews großzügig gebaut und ein typisches Beispiel für die Wohnhäuser der städtischen Mittelschicht. Der Garten vor dem Haus war winzig, verglichen mit dem dahinter. Links von den Stufen, die zum Eingang hinaufführten, befand sich ein kleines Blumenbeet, und rechts davon ging ein schmaler Kiesweg nach hinten ab. Große Bäume, die jetzt im Januar kein Laub trugen, standen im Garten und versprachen angenehmen Schatten in den heißen Sommertagen. Das Gebäude war eher breit als hoch und hatte eine Reihe schmaler Fenster, die wahrscheinlich viel Licht hereinließen. Zur Straße hin gab es auch noch einen Fensterbogen, der dem Ganzen einen eleganten, anmutigen Anstrich gab. Rauchfahnen stiegen aus den beiden Kaminen und schufen eine anheimelnde Atmosphäre. Vor dem überdachten Eingang saß eine getigerte Katze und wärmte sich in der Morgensonne.
Deegan hätte auch so gewusst, dass Lillys Heim Wärme ausstrahlen musste. In ihrem sanften, großzügigen Wesen hatte sich das bereits unmissverständlich gespiegelt.
Er war sich ganz sicher, dass sie ihn auch jetzt voll Herzlichkeit empfangen würde. Schließlich brachte er ihr die Kamera und die restliche Ausrüstung zurück, die neben ihm auf dem Kutschbock lag. Wie schade, dass es die Umstände ihres Wiedersehens nicht erlaubten, einen ihrer süßen Küsse als Dank für seine Mühe zu erhalten! Bestimmt würde sie von ihrer liebevollen und zugleich wachsamen Familie umgeben sein. Deegan blieb wohl nichts anderes übrig, als sich einen Kuss von ihr bei den Abbots zu stehlen. Er war wahrlich ein Schuft – seit einer Stunde hatte er an nichts anderes denken können.
Beinahe hatte er ihr Haus erreicht, als er Lilly herauskommen und leichten Schrittes die Treppe herunterlaufen sah. Sie warf weder einen Blick auf seinen Einspänner noch auf den Verkehr auf der Straße, sondern ging schnurstracks in Richtung California Street. Ihr unmodisch weit geschnittener schwarzgrauer Rock gestattete es ihr, weit auszuholen und somit rasch dahinzueilen. Ihr Mantel und die Bänder ihres Huts flatterten hinter ihr im Wind.
Deegan traf es ein wenig, dass sie nicht auf ihn gewartet oder nach ihm Ausschau gehalten hatte. Er hielt seine Kutsche an und sah ihr stirnrunzelnd nach. Wohin, zum Teufel, wollte sie so schnell? Sie musste doch wissen, dass er sie aufsuchen würde. Hielt sie ihn für einen solchen Nichtsnutz, dass sie annahm, er hätte sie bereits vergessen? Nein, das konnte nicht sein. Schließlich wollte sie ihre Kamera zurückhaben. Und dennoch lief sie nun davon, anstatt auf ihn zu warten.
Sie musste irgendetwas im Schilde führen. Zu dieser frühen Stunde war zwar ein Gang zum Markt nicht ausgeschlossen, doch wies Lillys Hast auf ein interessanteres Ziel als den Gemüsehändler hin. Deegan vermutete, dass sie noch immer vorhatte, Gerechtigkeit walten zu lassen. Vielleicht versuchte sie ihr Glück bei einer anderen Gendarmerie. Wie auch immer, sie ging am nächsten Kolonialwarenladen vorbei und wandte sich an der Ecke von California und Franklin Street in Richtung Stadtmitte.
Diese verdammte Frau! Ihr Besuch beim Constabler hatte
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