HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Frauen den Entschluss gefasst zu haben, nichts zu sagen, bis er ihnen von seinem frisch rasierten Gesicht freiwillig erzählen würde.
Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, einiges zu gestehen.
Vielleicht aber auch noch nicht.
Wenn er ihnen von seinem Kontakt mit Karl Severn berichtete, würde weder Lilly noch Marianne zulassen, dass er nach Barbary Coast zurückkehrte. Aber das musste er, wenn er den Verbrecher davon überzeugen wollte, dass Digger O’Rourke der richtige Mann für ihn war. Erst wenn er Severns Vertrauen gewonnen hatte, würde er vielleicht etwas über den Mord an Belle in Erfahrung bringen.
„Au!“ Deegan zuckte noch einmal zusammen, als Marianne ein besonders großes Stück Schnurrbart abriss. Er rieb sich die kahle Stelle. „Heiliger Patrick, steh mir bei! Ich möchte noch heil von hier wegkommen, Madam!“
„Wenn ich mir so ansehe, in welchem Zustand Sie sich befinden, dürfte das wohl kaum passieren“, meinte seine Gastgeberin und beugte sich mit einem feuchten Tuch über ihn.
Sie befanden sich allein in der Küche. Die Haushälterin hatte Lilly nach oben begleitet, damit sie sich etwas frisch machen konnte. Deegan war froh, einmal mit Marianne unter vier Augen sprechen zu können. Die schöne Mrs. Abbot war nicht nur eine ausgezeichnete Pflegerin, sondern auch in ganz San Francisco als kühle Taktikerin und entschlossene Geschäftsfrau bekannt. Ehe sie ihrem Sohn Pierce die Leitung des Büros der „Shire Shipping Line“ überlassen hatte, hatte sie selbst über fünfundzwanzig Jahre lang am Steuer gesessen und den Familienbesitz zu einem der wichtigsten Unternehmen des Westens gemacht. Sie ließ sich durch nichts aus der Fassung bringen, selbst wenn es noch so schlecht zu stehen schien. Wie in diesem Fall, wie Deegan zugeben musste.
„Was wollen wir dem Arzt sagen?“, fragte Marianne, die noch immer sein Gesicht abwischte. „Wie erklären wir ihm die Kugel in Ihrem Bein?“
Sie behielt tatsächlich immer einen klaren Kopf.
„Ich habe keine Kugel in meinem Bein“, erwiderte Deegan und nahm ihr das feuchte Tuch aus der Hand. „Es ist bloß ein Kratzer.“
„Allerdings ein Kratzer, der Sie ziemlich bluten lässt“, entgegnete Mrs. Abbot. Sie zog den Stuhl neben ihm heran und setzte sich kerzengerade auf den äußersten Rand.
Ihre Behauptung, dass er noch immer blute, stimmte nicht. Es hatte bereits zu bluten aufgehört, bevor er bei den Abbots geklopft hatte. Doch das Blut seines unbekannten Verfolgers ließ ihn verletzter aussehen, als er in Wirklichkeit war. Die Kugel hatte seinen Schenkel nur gestreift und eine hässliche Wunde zurückgelassen, doch derartige Verletzungen hatten ihn auch früher noch nie davon abgehalten, seinen Plänen zu folgen. Und das würden sie auch diesmal nicht tun. Er wusste, wann er ernsthaft außer Gefecht gesetzt war und wann nicht. In diesem Fall reichten bestimmt ein paar Nähte und eine großzügige Dosis Whiskey – innerlich und äußerlich –, und er würde bald wieder ganz auf dem Damm sein.
„Ich hätte verlangen können, dass Betty nicht nur den Arzt, sondern auch einen Constabler holt“, sagte Marianne nachdenklich. Es hörte sich ganz so an, als ob sie sich überlegte, wie gefährlich es eigentlich war, Deegan und Lilly bei sich aufzunehmen. Aber Mrs. Abbot war noch nie vor einer Gefahr zurückgeschreckt. Würde sie es jetzt tun?
Deegan fragte sich, ob er in ihrer Situation Familie und Ruf aufs Spiel setzen würde, um jemanden zu retten. Wenn er ehrlich war, musste er das verneinen, was ihn nicht gerade ermutigte.
Obgleich sein Bein sehr wehtat, schaffte er es, so gelassen wie möglich zu wirken, während er sich darauf vorbereitete, von Marianne zurückgewiesen zu werden. „Wenn ich an meine traurige Rolle denke, die ich einmal in Ihrer Familie gespielt habe, würde es mich nicht wundern, wenn Sie mich dem Constabler auslieferten.“
Marianne zog die elegant geschwungene Augenbraue hoch und sah ihn leicht verärgert an. „Sparen Sie sich solches Gerede, Deegan“, entgegnete sie. „Es geht hier um Wichtigeres.“
„Da haben Sie verdammt recht.“ Er hielt einen Moment inne und überlegte, wie er ihr die ganze Geschichte am besten darlegen konnte. „Ich habe Ihnen bereits ein bisschen von dem erzählt, was vor ein paar Tagen passiert ist.“
Sie nickte und sah ihn aufmerksam an. Er hätte ihr am liebsten alles berichtet, doch das war bedauerlicherweise noch nicht möglich. Schließlich wollte er sie in nichts
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