HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Krankenpflegerin. Das musste sie auch sein, als sie mit einem Treck in den Westen kam. Viele Leute wurden während der Fahrt krank oder verletzt. Sie hat stets allen geholfen, so gut sie konnte.“
Und dabei wahrscheinlich Satin und Juwelen getragen, dachte Lilly bewundernd.
Deegan lachte, während er die Hilfe der beiden Frauen annahm. „Ich vermute, die Erziehung von vier verwegenen Söhnen und drei wilden Töchtern in den letzten Jahren hat auch dazu beigetragen, dass Marianne viel Erfahrung im Verarzten von Wunden gemacht hat.“
Molly musste ebenfalls lachen. Sie zwinkerte ihm schalkhaft zu. „Da könnten Sie recht haben, Sir. Obwohl Mr. David inzwischen sechzehn ist, trägt er noch immer regelmäßig seine blauen Flecken davon.“
„Wie ich David kenne, wird das auch noch eine ganze Weile so weitergehen“, erwiderte Deegan und fügte, an Lilly gewandt, hinzu: „Der Junge ist ein ziemlicher Haudegen. Aber da er einmal Kapitän werden will, schadet es ihm wahrscheinlich nichts, rechtzeitig zu wissen, wie er mit den Fäusten umgehen muss.“
Molly nickte. „Mrs. Abbot meint, dass er ganz nach seinem Vater und seinem Großvater schlägt.“
Lilly konnte sich weder ihren sanftmütigen Vater noch ihren reservierten Bruder in einem Faustkampf vorstellen. Sie sah Deegan an und bemerkte, dass er bei dem Gedanken an einen Kampf bereits in Vorfreude zu lächeln begann. Sie fühlte sich im Hause der Abbots irgendwie überfordert. Die männlichen Mitglieder ihrer Familie waren alle viel zu passiv, als dass man sie als Haudegen hätte bezeichnen können. Doch hier schien es ganz anders zu sein, was sie in einem solch vornehmen Haus nicht erwartet hatte.
Wer hätte andererseits aber auch angenommen, dass sich eine wohlerzogene junge Frau wie sie selbst als tollkühne Kämpferin und leidenschaftliche Amazone entpuppen könnte? Doch genau das hatte sie heute getan. Wenn sie die Gelegenheit bekäme, ihren Mut noch einmal unter Beweis zu stellen, würde sie es jederzeit wieder tun. Vielleicht waren Deegan und die Abbots einfach nur ehrlicher als diejenigen, die ein solches Verhalten lauthals verurteilten. Lilly hatte des Öfteren Bruchstücke aus Reverend Ishams Tiraden gegen den Verlust der Unschuld und der Tugend aufgeschnappt. Glaubte er auch selbst an das, was er da verkündete? Oder hatte der gottesfürchtige Mann in Wahrheit geheime Wünsche wie sie selbst? Ging er ihnen vielleicht sogar nach?
Diese Überlegung ließ Lilly für einen Moment innehalten. Konnte Reverend Isham der Mann sein, den Belle Tauber hatte erpressen wollen?
Ihr wurde beinahe schwindlig vor Aufregung. Was hatte die Prostituierte genau gesagt? Es war nicht viel gewesen, wie sie dem Sergeant gegenüber hatte feststellen müssen. Aber vielleicht hatten die Constabler ihr auch nicht die richtigen Fragen gestellt. Möglicherweise wäre sie sonst schon viel früher auf Reverend Isham gekommen. Er war zumindest ein Verdächtiger. Schließlich kam er regelmäßig nach Barbary Coast und zeigte sich häufig in Gesellschaft von Männern, deren harte, kalte Gesichter nichts Gutes versprachen. Mr. Isham verkehrte mit ihnen, mit einigen von ihnen sprach er unter vier Augen an der Straßenecke. Ging es dabei um ihre verlorenen Seelen oder um geheime Geschäfte?
Lilly hatte keinerlei Beweise, dass der Pastor in üble Machenschaften verwickelt war. Aber er hatte auf jeden Fall die Gelegenheiten und die nötigen Kontakte dazu. Von all den Leuten, die es nach Barbary Coast zog, fiel ein Gottesdiener am wenigsten auf. Würde er eine Frau zum Schweigen bringen lassen, die ihm drohte, ihn zu verraten, wenn er ihr nicht genügend Geld gab?
Belle konnte auf jeden Fall nichts mehr enthüllen. Hatte der Reverend seine Seele mit ihrem Mord belastet? Bekamen die Männer, die sie entführt hatten, ihre Anweisungen von Mr. Isham?
Molly hatte die ganze Zeit über geplappert, während sie Lilly mit Deegan half. Er schien inzwischen wieder etwas mehr bei Kräften zu sein, denn sein Gewicht auf ihrer Schulter war nicht mehr so schwer wie zuvor, als sie aus der Kutsche gestiegen waren. Sie genoss es, seinen Körper so nahe an dem ihren zu spüren und eine gute Ausrede dafür zu haben, dass sie ihm einen Arm um die Taille legen durfte. Du befindest dich auf gefährlichem Boden, Lillith Renfrew, rügte sie sich im Stillen. Auch wenn Deegan beim Küssen genauso leidenschaftlich gewirkt hatte wie sie selbst, musste sie doch daran denken, dass er wieder aus ihrem Leben
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