HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
hineinziehen, das Gefahren in sich barg. Fast wünschte er sich nun, ihr nicht einmal Lilly gebracht zu haben. Doch es war ihm nichts anderes übrig geblieben.
Sie wäre nirgendwo anders so sicher gewesen wie hier.
„Heute haben drei Männer versucht, Lilly zu entführen“, begann er. „Es war reiner Zufall, dass ich mich gerade in der Nähe befand.“
„Vermuten Sie, dass Lillys Besuch beim Constabler und die Entführung miteinander in Zusammenhang stehen?“
Er sah sie spöttisch an. „Sie etwa nicht? Marianne, Sie kennen doch unser System. Lilly hat sich heute nicht einmal in der Nähe von Barbary Coast befunden und ist auch seit unserem ersten Zusammentreffen nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Außer diesen treuen Gesetzeshütern, meiner alten Freundin und mir kennt niemand Lillys wahre Identität.“
Marianne sah nicht überzeugt aus. „Ihre Freundin könnte vielleicht …“
„Nein, nicht Hannah.“ Obwohl Deegan sie fünfzehn Jahre lang nicht gesehen hatte, wusste er, dass er ihr sein und Lillys Leben jederzeit anvertrauen konnte. „Selbst wenn es Severn gelungen ist, uns bis zu ihr zurückzuverfolgen …“
„Severn!“, rief seine Gastgeberin verblüfft aus. „Meinen Sie Karl Severn? Selbst ich habe schon von ihm gehört.“
Das überraschte Deegan ganz und gar nicht. Marianne war eine außergewöhnliche Frau. Sie hatte ihm ja sogar sein falsches Spiel mit ihrer Tochter vergeben, wobei er sich gar nicht so sicher war, ob das richtig gewesen war. Er war ein Schurke – daran ließ sich nichts ändern.
„Meine liebe Dame, Sie scheinen mir sehr fragwürdige Beziehungen zu haben“, tadelte Deegan sie freundlich.
Marianne lächelte reumütig. „Lieber Junge, wie kann ich solch fragwürdige Beziehungen vermeiden, wenn mein Mann einen Spielclub leitet und wir unsere Geschäfte an den Docks abwickeln? Aber wir wollen jetzt nicht darüber reden. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Miss Renfrew wird bald zurückkommen, und Sie haben mir noch immer nicht gesagt, was Sie dem Arzt erzählen wollen. Da Sie für Molly ein großer Favorit sind, wird sie den Doktor bestimmt dazu angehalten haben, alles andere fallen zu lassen und Ihnen zu Hilfe zu eilen.“
Sie hatte recht. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit – in jeder Hinsicht. Deegan beugte sich zu ihr vor und sah sie eindringlich an. „Dann tun Sie mir bitte einen Gefallen“, bat er sie. „Treten Sie mit der ‚Pinkerton Agency‘ in Verbindung, und bitten Sie Magnus Finley, zu mir zu kommen. Ich brauche jemanden, der Lilly beschützt, wenn ich nicht bei ihr bin.“
Marianne nickte. Es schien ihr zu reichen, dass Deegan alles andere später einmal erklären würde. „Ich lasse Pierce eine Nachricht zukommen, und er soll dann die Detektei kontaktieren. Es wäre nicht gut, wenn man eine solche Anfrage mit Ihnen oder Miss Renfrew in Verbindung bringen könnte.‚Shire Line‘ hat schon öfters die Dienste einer Detektei in Anspruch genommen. Niemand wird Verdacht schöpfen, wenn Pierce nach Mr. Finley fragt. Wo wollen Sie den Mann treffen? Ich kann Ihnen gern meinen Schlüssel zum Büro geben.“
So großzügig ihr Angebot auch war, so wollte Deegan doch nicht, dass man Digger O’Rourkes Aktivitäten zu den Abbots zurückverfolgen konnte. Da der Detektiv selbst augenblicklich verdeckt in Barbary Coast arbeitete, war es das Beste, ihn dort zu treffen. Doch es musste ein Ort sein, wo sie sich ungestört unter vier Augen sprechen konnten.
Ihm fiel nur eine Möglichkeit ein.
Er holte eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche und schrieb eine Adresse auf die Rückseite. „Teilen Sie Finley mit, dass er mich hier um Mitternacht treffen kann. Er soll sich außerdem eine Krawatte umbinden und einen Blumenstrauß mitbringen.“
Marianne warf einen Blick auf die Adresse. „Um Sie dort zu besuchen?“, fragte sie überrascht. „Würde nicht auch ein offenes Hemd reichen?“
„Diesmal nicht“, erwiderte Deegan und lächelte schalkhaft. „Magnus Finley wird nämlich jemandem den Hof machen.“
Lilly saß allein im Salon der Abbots. Sie hatte ihren Stuhl nahe genug ans Fenster gerückt, um jeden Besucher, der an die Tür kam, beobachten zu können, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Man hatte ihr die Aufgabe zugeteilt, nach verdächtig aussehenden Männern Ausschau zu halten, die sich grundlos in der Nähe des Hauses aufhielten. Bisher hatte sie noch niemanden gesehen, der auch nur im Geringsten ihren Entführern geähnelt hätte, obwohl bereits
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