HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Gastfreundlichkeit danken“, beharrte Lilly.
„Du hast gewiss schon alles getan, was sich gehört“, erwiderte er. Ungeduldig holte er seine Taschenuhr heraus und warf einen Blick darauf. „Ich muss zur Arbeit zurück. Ich kann es mir schließlich nicht leisten, meine Zeit zu vertrödeln.“
Aha, das ist bestimmt als Seitenhieb auf mich gedacht, überlegte Deegan belustigt. Er stand auf und bemühte sich darum, besonders vornehm und aristokratisch zu wirken. Diese Bewegungen hatte er von seinem Freund Baron Blackhawk gelernt. „Glauben Sie wirklich, dass Miss Renfrew sich nicht mehr in Gefahr befindet? Die Männer, die sie entführt haben, könnten es noch einmal versuchen.“
Edmund warf ihm einen finsteren Blick zu. Es schien ihm gar nicht zu gefallen, dass ein Dandy wie Deegan es wagte, ihm eine Frage zu stellen. „Meine Schwester ist in ihrem eigenen Heim am sichersten. Diese Verbrecher werden nicht versuchen, sie von dort am helllichten Tag zu entführen. Heute Abend werden meine Gattin und ich für eine Weile zu meinen Eltern ziehen. Oder glauben Sie nicht, dass meine Gegenwart genügen wird, die Männer von einem weiteren Versuch abzuhalten?“
„Oh doch, das glaube ich gern“, versicherte Deegan. Obgleich es ihm lieber gewesen wäre, das Haus der Renfrews von Detektiven umstellt zu wissen, hatte er kein Recht, eine solche Maßnahme vorzuschlagen.
„Ich bin ohnehin nicht davon überzeugt, dass die heutige Entführung und der Tod dieser Prostituierten etwas miteinander zu tun haben“, fuhr Edmund fort.
„Aber …“, begann Lilly.
„Frauen werden heutzutage ständig von der Straße weg entführt“, behauptete ihr Bruder. „Ich bezweifele, dass sie alle Zeugen eines Mordes gewesen sind.“
Deegan presste die Lippen zusammen und ballte unbemerkt die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er Renfrew ins Gesicht geschlagen. Wie konnte er es wagen, seine Schwester so leichtsinnig einer weiteren Gefahr auszusetzen!
„Nun komm endlich“, drängte Renfrew. „Sicher machen unsere Eltern sich schon die größten Sorgen um dich.“
Diese offensichtliche Erinnerung an ihre Pflichten ließ Lilly erröten. „Natürlich“, sagte sie. „Ich hole nur schnell meinen Mantel und …“
„Ich läute nach dem Hausmädchen“, schlug Deegan vor und ging zum Klingelzug.
Während sie auf die Bedienstete warteten, schwärmte Lilly ihrem Bruder von Deegans Hilfsbereitschaft vor. Aber Renfrew hörte ihr überhaupt nicht zu. Er schaute Mr. Galloway an, als ob er ein widerliches Insekt wäre, das man so schnell wie möglich vertreiben müsste.
Zumindest haben wir etwas gemeinsam, dachte Deegan. Wir können uns vom ersten Augenblick an nicht leiden.
16. KAPITEL
Edmund lieferte Lilly hastig zu Hause ab. Man merkte, dass die ganze Angelegenheit ihm ausgesprochen lästig war. Kurz angebunden riet er ihren Eltern und der verblüfften Vinia, sie nicht mehr unbegleitet auf die Straße zu lassen.
„Sie sollte doch nur Spitzen umtauschen“, erklärte Vinia. „Adeline macht so etwas ziemlich häufig. Nicht wahr, Schatz?“
Ihre Tochter nickte. „Ich erledige alles Mögliche für Mama. Alle meine Freundinnen tun das für ihre Mütter auch.“
„Das solltet ihr aber nicht“, fuhr Edmund sie an. „Die Stadt ist ein gefährlicher Ort für eine Frau, wie man heute deutlich sehen konnte.“
Lilly hätte am liebsten laut aufgeschrien. Er dachte doch hoffentlich nicht daran, ihrer Familie zu erzählen, was ihr in Barbary Coast passiert und mit welchen Leuten sie dort in Kontakt gekommen war. Es würde ihre Mutter aus dem mühsam gehaltenen Gleichgewicht bringen, wenn sie hörte, dass ihre Tochter Zeugin eines Mordes und Opfer einer Entführung geworden war.
„Jemand wollte meine Handtasche stehlen“, verkündete sie, ehe Edmund etwas sagen konnte.
Ihre Mutter riss vor Schrecken den Mund weit auf.
„Am helllichten Tag?“, fragte ihr Vater bestürzt.
Die Augen der jungen Adeline begannen zu funkeln, als sie von diesem Abenteuer hörte.
Vinia, die gewöhnlich am theatralischsten war, behielt diesmal die Ruhe. „Aber du hast deine Handtasche doch noch“, sagte sie und wies auf das Retikül, das noch immer an Lillys Handgelenk hing.
Als Lilly darauf schaute, stellte sie entsetzt fest, dass sich Blutflecken auf dem Stoff befanden. Sie mussten von dem Schurken stammen, dem sie das Nasenbein gebrochen hatte.
„Ja, aber ich habe den Korb mit der Spitze verloren und bin in einen Stand mit Tomaten gefallen.
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