HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
ein Junge am Spiel teilzunehmen und sich der Freude des Tages zu überlassen.
Er war indes nicht der Beste von den Spielern. Diese Ehre hatte einem Reporter gebührt, der stets ein breites Lächeln zeigte. Lilly schaute sich das Foto näher an, um ihn in der Gruppe ausfindig machen zu können.
Er stand in der hinteren Reihe, und seine Gesichtszüge waren ein wenig verschwommen. Er beugte sich gerade zu dem Mann neben ihm und schien sich mit ihm zu unterhalten. Obwohl sich Lilly an ihn als jemand erinnerte, der ständig gelacht hatte, blickte er geradezu finster in die Kamera. Als sie sein Gesicht genauer betrachtete, blieb ihr vor Schrecken fast das Herz stehen.
Sie betrachtete den Mann näher. Für einen Moment glaubte sie, sich zu irren. Aber nein! Es waren dieselben Gesichtszüge. Das dunkle Haar wurde bereits dünner und zeigte deutliche Geheimratsecken. Sein Ausdruck war böse und gefährlich.
Der Mann, der vor eineinhalb Jahren Edmunds Mannschaft den Sieg eingebracht hatte, war derselbe, der Belle Tauber die Kehle durchgeschnitten hatte.
Langsam legte Lilly die Fotografie aufs Bett. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie es zu hören vermeinte. Sie musste Edmund davon erzählen. Vermutlich kannte er den Mann. Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass Severn noch immer für die Zeitung arbeitete. Wenn er nicht selbst gekündigt hatte, war er möglicherweise von der Redaktion hinausgeworfen worden. Edmund könnte ihr das bestimmt sagen. Aber würde er das auch?
Sie wünschte sich nichts so sehr, wie einmal Stolz in den Augen ihres Bruders erkennen zu können. Stattdessen gab er ihr stets das Gefühl, sie stelle für ihre Familie eine Peinlichkeit dar, wenn sie Aufnahmen von gefallenen Frauen machte. Es behagte ihm nicht, dass sie sich in Gefahr begab. Er war besorgt, weil sie die Aufmerksamkeit eines Mörders auf sich gezogen hatte. Er war wütend, weil sie noch immer versuchte, den Mord an Belle aufzuklären.
Lilly war überzeugt gewesen, dass er ihr helfen würde. Stattdessen hatte Edmund so gewirkt, als ob er überhaupt nicht vorhätte, ihrer Geschichte nachzugehen. Er war nicht einmal daran interessiert, Deegan zu befragen oder die Stelle zu sehen, wo das Verbrechen begangen worden war. Belle war ihm völlig gleichgültig. Wichtig war ihm nur, dass die Abenteuer seiner Schwester nicht bekannt wurden.
Wie enttäuschend war es doch, feststellen zu müssen, dass der Mann, den sie ein Leben lang verehrt und auf ein Podest gestellt hatte, die bewunderten Fähigkeiten, die sie bei ihm vermutet hatte, überhaupt nicht besaß. Ging er nur seiner Tätigkeit als Journalist nach, der Skandale aufdeckte, weil die Zeitung ihm dafür gutes Geld zahlte? Catherines teures Kleid wies eindeutig darauf hin, dass er finanziell gut bestückt war.
Wie würde Edmund wohl reagieren, wenn sie jetzt an seine Zimmertür klopfte und ihm die Fotografie mit Karl Severn zeigte? Wahrscheinlich sehr missmutig, dachte Lilly. Aber da er sowieso der Geschichte nicht nachzugehen gedachte, musste er das Bild auch gar nicht zu Gesicht bekommen. Der einzige Mann, der etwas damit anfangen konnte, war Deegan Galloway.
Auch wenn er nicht zugegeben hatte, dass er heimlich Nachforschungen anstellte, war sie überzeugt, dass er sich glatt rasiert hatte, um in eine andere Rolle zu schlüpfen. Er hatte vermutlich die Absicht, in die dunklen Regionen von Barbary Coast zu tauchen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Wie gern hätte sie erfahren, was er bisher herausgefunden hatte … Es wäre schön, ihn jetzt sehen zu können. Ihn zu berühren. Sich in ihm zu verlieren.
Lilly nahm die Fotografie wieder auf. Wenn Deegan recht hatte, beobachteten Männer in diesem Augenblick ihr Haus und warteten wieder auf sie. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gebracht werden sollte, nahm jedoch an, dass Deegan es herauszufinden gedachte. Wahrscheinlich brannte inzwischen nur noch die Lampe in ihrem Zimmer. Wenn sie das Licht ausmachte, ein schwarzes Kleid anzog und dann durch einen Spalt im Vorhang aufmerksam die Umgebung des Hauses beobachtete, würde sie bestimmt eine Bewegung wahrnehmen, falls wirklich jemand dort wachte. Wer würde außerdem annehmen, dass sie zu dieser späten Stunde noch hinausgehen wollte? Schließlich war sie eine züchtige junge Frau, die sich niemals aus dem Haus schleichen würde, um ihren Geliebten zu treffen.
Aber genau das hatte sie jetzt vor.
Entschlossen löschte Lilly das Licht.
Trotz der späten Stunde waren noch alle Räume in
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