HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Ich hoffe nur, dass ich die Flecken wieder herausbekomme“, sagte sie seufzend. Insgeheim hoffte sie inständig, man möge ihr diese Erklärung abnehmen. „Der Dieb ist in der Menge verschwunden, aber ich bin trotzdem zum Amtszimmer des Constablers gegangen, um den Vorfall zu melden. Leider konnte man dort mit der dürftigen Information nichts anfangen. Die einzigen Zeugen für den Überfall waren anscheinend ein älterer Herr, der mir wieder auf die Füße half, und der Mann, der mir den Weg zum Constabler wies. Als der mich fragte, wer mich nach Hause bringen könnte, fiel mir Edmund ein.“
Sie warf einen Blick auf ihren Bruder und hoffte, dass er ihre erfundene Geschichte nicht als Lüge entlarven würde. Doch er sah sie nur finster an und schwieg.
„Gütiger Himmel, Kind! Geht es dir gut?“, fragte ihr Vater besorgt.
„Zum Glück konnte Edmund dich abholen“, warf ihre Mutter erleichtert ein. „Komm, setz dich zu mir, damit ich sehen kann, ob dir auch wirklich nichts geschehen ist.“
Lilly folgte ihrer Bitte und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. „Es geht mir gut“, sagte sie. „Ich bin einfach nur froh, wieder sicher zu Hause zu sein.“
Sogleich beteuerten alle, wie glücklich auch sie seien, sie wieder heil bei sich zu haben. Edmund schwieg als Einziger.
Er stand in der Nähe der offenen Salontür und sah aus wie einer, der sich gerade auf eine Rede vorbereitete. Je mehr die Stärke ihres Vaters in den letzten Jahren abgenommen hatte, desto mehr hatte Edmund die Rolle des Familienoberhaupts übernommen. Als Lilly nun ihren Bruder ansah, wurden die anderen sogleich still und warteten auf das, was er ihnen zu sagen hatte.
Er enttäuschte sie nicht. „Es scheint so, als ob man Lillith noch beibringen müsste, wo der ihr angemessene Platz im Leben ist.“ Er nickte ihrer Mutter selbstgefällig zu und fuhr fort: „Ich verstehe natürlich, dass deine Gesundheit es dir nicht gestattet hat, Lillith so zu erziehen, wie du das gern getan hättest, Mutter. Deshalb will ich, dass Catherine eine Weile hierbleibt, um Lillith zu zeigen, was sich gehört und was nicht.“
Auch wenn ihre Schwägerin keine unangenehme Frau war, gefiel Lilly der Gedanke, von einer anderen Person gesagt zu bekommen, was sie zu tun und was sie zu lassen habe, ganz und gar nicht – vor allem nicht von jemandem, den sie so wenig kannte wie Catherine.
„Mach dich doch nicht lächerlich“, fuhr sie ihren Bruder an. Sie war wütend, dass er ihren fehlenden Sinn für Schicklichkeit indirekt ihren Eltern zur Last legte. Nur Edmund wusste, dass sie sich tatsächlich in eine ungebührliche Lage begeben hatte, doch ihre Mutter durfte nichts davon erfahren. „Ich bin schon lange volljährig“, erinnerte Lilly ihn. „Und ich weiß sehr wohl, was sich für eine Frau meiner Stellung gehört. Mutter hat ihr Bestes getan, selbst wenn sie mich nicht so erziehen konnte wie noch Vinia.“
Ihr Bruder zeigte sich kein bisschen beeindruckt. Vielleicht folgte er auch nur ihrem Beispiel und erfand einen Grund, um selbst häufig in der Franklin Street zu verweilen und ein Auge auf Lilly haben zu können. Sie wünschte sich allerdings, er hätte eine Ausrede erfunden, die sie in ein weniger schlechtes Licht stellte.
Mrs. Renfrew beugte sich vor und legte ihre Hand auf die ihrer Tochter. „Verärgere ihn nicht“, flüsterte sie so leise, dass auch Lilly es kaum hörte.
Sie legte ihre freie Hand auf die ihrer Mutter und drückte sie sanft. „Für dich tue ich das gern“, flüsterte sie zurück. Aber sie wusste, dass es ihr nicht leichtfallen würde. Wenn sie Deegan wiedersehen wollte, musste sie nun eine Möglichkeit finden, sich von ihrer neu ernannten Anstandsdame zu befreien und sich heimlich davonzustehlen.
Natürlich war ihr klar, dass es nicht schicklich sein konnte, sich ihrer Leidenschaft zu überlassen und sich Deegan hinzugeben. Wenn Edmund davon wüsste, würde er sie wahrscheinlich einsperren lassen.
Edmund und seine trübsinnige Frau waren im Gästezimmer untergebracht. Lillys Eltern hatten sich für den Abend zurückgezogen. Sie hatte eine Stunde lang unter Catherines Aufsicht an dem blauen Abendkleid weitergearbeitet. Während ihrer Abwesenheit waren Vinia und ihre Tochter damit ziemlich weit gekommen. Ihre Schwester hatte darauf bestanden, Lillys Haar neu zu frisieren, damit ihre Frisur auch zu der eleganten Robe passte. Adeline hingegen hatte vorgeschlagen, dass ihre Tante das Kleid anprobieren sollte, um
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