HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Umgebung auf einmal nicht mehr gefiel, aber das prätentiöse Ambiente störte ihn diesmal mehr als sonst. Alles stört mich mehr als sonst, dachte Ashdowne säuerlich.
„Ich brauche etwas Starkes zu trinken“, brummte er, als sein Butler erschien. Finn, ein gewiefter Ire, war alles andere als der typische Diener eines Gentlemans. Doch er war der Einzige aus der Dienerschaft, der ihm nahe kommen durfte. Sie kannten sich schon lange Zeit, und ihre Beziehung gründete mehr auf gegenseitigem Vertrauen als auf dem Verhältnis von Herr und Diener. Ashdowne wusste genau, dass die Treue eines Mannes wie Finn nicht gekauft werden konnte.
„Ein schwieriger Morgen, Mylord?“, erkundigte sich Finn. Er trat zur Anrichte und goss eine großzügig bemessene Portion Portwein ein, die er Seiner Lordschaft reichte. Bevor er sich auf dem hässlichen Stuhl im chinesischen Stil gegenüber dem Kanapee niederließ, nahm er sich auch selbst ein volles Glas. Der Marquess überlegte amüsiert, dass man am Camden Place bisher wohl kaum jemals ein derartiges Tête-à-Tête gesehen hatte.
„Weniger schwierig als vielmehr verwünscht“, gab er zu, während er den Alkohol im Glas hin und her schwenkte. Auch wenn er das überkandidelte Stadthaus nicht schätzte, so gab es doch gewisse Annehmlichkeiten, wie etwa diesen Portwein, die er nicht hätte missen wollen.
„Wie könnte Ihr Tag denn auch anders als schlecht verlaufen, wenn diese Bellewether-Dame ihre Finger im Spiel hat?“, fragte Finn mit seiner tiefen Stimme, in der noch deutlich sein irischer Akzent zu hören war.
„Sie fällt in der Tat aus dem Rahmen“, erwiderte Ashdowne, wobei die Schärfe, die stets in seinem Ton zu hören gewesen war, wenn er über Georgiana gesprochen hatte, diesmal fehlte. Sie war seit jenem Abend auf der Balustrade, als er sie geküsst hatte, nicht mehr vorhanden.
Der Kuss war eigentlich taktisch gewesen, eingesetzt, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Warum blieb er ihm dann so im Gedächtnis haften? Warum verspürte er bei ihrem Anblick stets das Bedürfnis, ihn zu wiederholen? Ashdowne bewegte sich unbehaglich, was seinem scharfäugigen Butler nicht entging. Finns dunkle Augen verengten sich.
„Also, was ist heute passiert? Hat der Detektiv den armen Whalsey verhaftet?“
Der Marquess schmunzelte. „Nein, leider nicht. Der am stärksten belastende Beweis war nur eine kleine Flasche mit Haartonikum.“
„Das gibt es doch nicht!“ Finn ließ ein tiefes Lachen vernehmen.
„Doch“, erwiderte Ashdowne und war noch bei der Erinnerung daran erheitert. Wann hatte er denn das letzte Mal so amüsiert und so befreiend gelacht wie vor dem Haus Whalseys? Seltsamerweise beunruhigte ihn die Erinnerung auch ein wenig. Warum fühlte er sich durch nichts anderes als die junge Bellewether so belebt?
„Haartonikum! Kein Wunder, dass Seine Lordschaft immer einen Hut trägt!“, sagte Finn und klatschte sich auf die Schenkel. „Aber woher hatte er das Zeug?“
„Offenbar haben er und sein Kumpan, ein gewisser Cheever, einen Plan ausgeheckt, es zu stehlen. Das bedeutet, dass unsere Miss Bellewether gar nicht so dumm ist, wie wir glaubten“, meinte Ashdowne. „Auch wenn sie nichts von der Halskette wussten, handelte es sich bei Whalsey und seinem Freund tatsächlich um Diebe.“
„Das stimmt zwar“, erwiderte Finn, der noch immer sein Lachen nicht unterdrücken konnte, „aber ich bezweifle, dass der Detektiv das auch so sehen wird.“
„Vielleicht – vielleicht auch nicht“, antwortete der Marquess. Jeffries schien ihm ein ehrlicher, zuverlässiger Mann zu sein und nicht so wie andere seiner Art, die oft genauso unehrlich waren wie die Gauner, die sie verfolgten.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Mylord“, sagte Finn. „Selbst der dümmste Detektiv würde sich nicht nach dem Geschwätz eines Mädchens richten.“
„Nein, wahrscheinlich nicht“, stimmte Seine Lordschaft zu, fühlte sich aber weiterhin unwohl. Nicht nur das harte Kanapee war unbequem, sondern ihn quälte auch ein schlechtes Gewissen, selbst wenn er nicht wusste, warum. Er hatte nichts anderes getan, als dem Vorschlag der jungen Dame zu folgen. Sie schien sogar sehr zufrieden zu sein, als er seinen Einfluss auf Jeffries geltend gemacht hatte.
Allzu zufrieden. Vielleicht war dies das eigentliche Problem. Ashdowne konnte nämlich das Lächeln nicht vergessen, das Georgiana ihm geschenkt hatte, als er den Londoner Detektiv dazu gebracht hatte, sie zu dem Haus von Viscount Whalsey zu
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