HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
sich.
Aber obwohl sie wütend und verletzt war, wollte sie dem Londoner Detektiv ihre Entdeckung nicht mitteilen. Sie musste erst zur Ruhe kommen, um entscheiden zu können, was zu tun war. In der Zwischenzeit durfte sie nichts verraten. Das fiel ihr ausgesprochen schwer, denn sie wusste, dass Jeffries nicht auf den Kopf gefallen war. Sollte er sie genauer betrachten, würde ihm womöglich auffallen, dass etwas nicht stimmte.
Endlich sagte ihm Georgiana, dass sie nun gehen könnten. Sie war sich sicher, dass sie leichenblass war, und mied deshalb so gut es ging das helle Licht. Schließlich war sie von einem der Besten in dieser Hinsicht unterwiesen worden – die Katze persönlich hatte ihr gezeigt, wie man sich im Halbdunkel aufhielt. Doch sie hatte nicht alles gelernt. Es war ihr nicht beigebracht worden, wie man jemanden belog und bestahl. Und betrog.
Mit eisernem Willen zwang Georgiana ihre Gedanken in eine andere Richtung, während Jeffries sie hinausgeleitete. Der ansonsten eher schweigsame Mann wollte diesmal den Fall mit ihr besprechen, doch Georgiana gab vor, dass man sie zu Hause erwartete. Falls dem Detektiv etwas auffiel, so hoffte sie, dass er es auf ihre Enttäuschung schob, keinen Hinweis am Tatort gefunden zu haben.
War es nicht die größte Ironie, dass genau das Gegenteil eingetreten war? Sie hatte sich so sehr gewünscht, einen belastenden Beweis zu finden. Und nun hatte sie ihn.
Der Polizeibeamte bot ihr an, sie nach Hause zu bringen, doch sie lehnte ab. Sie hatte nicht vor, jetzt dorthin zurückzukehren, da Ashdowne sie vielleicht besuchen wollte. Selbst wenn er es nicht tat, würden ihre kichernden Schwestern ihr unablässig Fragen über ihn stellen. Ihr fröhlicher Vater und ihre entnervte Mutter wären auch keine Hilfe. Schließlich konnte sie den beiden nicht die Wahrheit über den Marquess sagen oder ihre Gefühle für ihn offenbaren. Sie steuerte also die Orange Grove-Parkanlage an, wo sie hoffte, in einem ruhigen Winkel unter einem Baum über den Mann nachdenken zu können, von dem sie gedacht hatte, dass sie ihn besser als jeden anderen kannte, und von dem sie überhaupt nichts wusste.
Ashdowne, die Katze.
Der Gentleman, der sie in seinen Armen gehalten, sie geküsst, sie berührt, mit ihr gelacht hatte, und der doch nichts anderes war als ein Dieb. Er war nicht besser als ein gewöhnlicher Halunke, und dieses Wissen versetzte ihr einen Stich, der furchtbar schmerzte. Sie sank auf eine Bank nieder.
Hatte er die ganze Zeit über nur mit ihr gespielt? Es war entsetzlich, sich das vorzustellen. Aber warum würde der Mann, den man die Katze nannte, ihr anbieten, als ihr Assistent jenes Verbrechen aufklären zu wollen, das er selbst begangen hatte? Die ganze Zeit hatte er ihr aufmerksam zugehört und schien ihren Theorien Glauben zu schenken. War das alles ein Spiel gewesen? Wie musste er über sie gelacht haben! Und sie hatte sein Gelächter so geliebt, dass ihr gar nicht aufgefallen war, dass er sich über sie lustig gemacht hatte.
Das war schlimm genug, aber Georgiana war es gewohnt, dass man ihre Interessen nicht ernst nahm. Etwas anderes brach ihr das Herz. Er hatte sie so innig geküsst und liebkost, als ob sie ihm etwas bedeutet hätte. In Wahrheit war sie nur ein Zeitvertreib für ihn gewesen. Es schauderte sie, aber sie zwang sich, nicht in Tränen auszubrechen. Nun, die Erfahrung mit Ashdowne hatte sie auch etwas gelehrt. Sie hatte wenigstens ihre Neugier befriedigen können, wie es war, einem Mann körperlich nahe zu kommen. In dieser Hinsicht waren Ashdownes Unterweisungen also nützlich gewesen, wenn es auch sicherlich die einzigen dieser Art bleiben würden.
Niemals wieder bekäme ein Mensch die Gelegenheit, ihrem Herzen so nahe zu kommen. Ihr Großonkel hatte nicht recht. Die Menschen brachten einem kein Glück. Sie waren undurchschaubar und abstoßend, denn sie gebrauchten andere aus Eigennutz. Georgiana hatte geglaubt, dass sie eine gute Menschenkennerin sei, doch sie hatte sich in einen berüchtigten Einbrecher verliebt. Es war besser, sich auf Bücher und Zeitungen zu konzentrieren, denn darin standen Fakten, die sie zu verstehen vermochte. Dort konnte sie auch nicht verletzt werden.
Auch wenn sie niedergeschmettert war, weigerte sich Georgiana zu weinen. Ihre angeborene Zuversicht begann bald wieder die Oberhand zu gewinnen. Sie war stärker, als Ashdowne ahnte. Er hatte sie genauso wie die anderen unterschätzt und für ein hohlköpfiges Frauenzimmer mit vielen
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