HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
blonden Locken und appetitlichen Kurven gehalten. Nun, da lag er falsch! Georgiana betrachtete das Krümelchen Erde, das sie noch immer zwischen den Fingern hielt. Sie erinnerte sich daran, wie Ashdowne sie anfangs betrachtet hatte: so, als wäre sie irgendein Insekt.
Jetzt, am Ende, stellte sich heraus, dass er selber wenig mehr war als das. Er kam ihr vor wie eine große schwarze Spinne, die ein riesiges Netz zu ihrer eigenen Belustigung webte.
Georgiana straffte sich und stand auf. Sie würde ihn aufsuchen und ihn zertreten.
Finn hatte ihn überredet, mitzukommen. Der Ire, der von Georgiana immer als der „verrückten Miss Bellewether“ sprach, machte sich auf einmal Sorgen um sie. Er war ihr den ganzen Vormittag gefolgt und dann zurück zum Camden Place gejagt, um Ashdowne zu berichten, dass sie im Orange Grove-Park umherwanderte und ein Bild des Jammers abgab.
Ashdowne, dem es nicht anders erging, fiel es dennoch schwer, Mitleid für sie aufzubringen. Sie wies ihn ein ums andere Mal zurück, und seine Wünsche, seine Sehnsüchte und seine Anweisungen schienen sie nicht im Geringsten zu kümmern. Vielleicht hatte er gestern ein wenig übertrieben, aber das gab ihr doch nicht das Recht, einfach mit Savonierre davonzugehen und ihn so zu verhöhnen.
Er stöhnte leise. Georgiana war ihm nicht wie eine Frau vorgekommen, die mit jedem flirtete und einen Bewunderer gegen den anderen ausspielte. Doch seit gestern Abend war er sich nicht mehr so sicher. Er hatte sich bei ihr entschuldigt, was bei ihm sowieso nicht allzu oft vorkam, und wenigstens ein gewisses Entgegenkommen erwartet. Für einen Moment war er auch überglücklich gewesen, weil sie ihm wieder einmal den lange ersehnten Blick der Bewunderung zugeworfen hatte.
Aber dann war sie mit Savonierre weggegangen. Schon wieder. Ashdowne hatte nicht gewusst, ober vor Verblüffung über ihre Dummheit lachen oder sie lieber erwürgen sollte. Savonierre hatte die Macht, sie zu zerstören, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Das wusste Ashdowne, und der Wunsch, sie zu beschützen, kämpfte mit seinem verletzten Stolz. Er hielt sich zwar nicht für eingebildet, aber es wurmte ihn doch, dass er sich diesmal so hart ins Zeug legen musste, die Zuneigung einer Frau zu gewinnen. Er wusste noch immer nicht, was er der unbegreiflichen Miss Bellewether eigentlich bedeutete.
Es war unerträglich. Er war beinahe versucht, seine lästige Schwägerin nach Hause auf den Familiensitz zu begleiten und sich Georgiana aus dem Kopf zu schlagen. Aber wer würde sie dann vor Savonierre schützen? Vor anderen Männern? Vor sich selbst? Ashdowne unterdrückte die aufsteigende Panik, die immer auftauchte, wenn er sich überlegte, sie nicht mehr zu sehen. Deshalb war er nun hier und durchsuchte den Orange Grove nach einer angeblich verzweifelten Frau, die ihm einen Korb gegeben und sich stattdessen auf ihren Fall konzentriert hatte.
Als er Georgiana endlich fand, musste er sich auf die Zunge beißen. Er hätte sie nämlich am liebsten als Erstes dafür getadelt, dass sie allein in einer abgelegenen Ecke saß und somit für jeden vorbeigehenden Halunken ein willkommenes Opfer war. Aber er sagte nichts, sondern blieb vor ihr stehen, da er nicht wusste, wie sie ihn aufnehmen würde. Als sie schließlich hochschaute und er ihre rot umrandeten, tränennassen Augen sah, fühlte er sich, als hätte ihm jemand einen Tritt in die Magengrube versetzt. Wenn das Savonierres Schuld war, dann würde er den Schuft umbringen, ohne noch einen Gedanken an ihn zu verschwenden.
Da er es nicht wagte, etwas zu sagen, stand Ashdowne einfach da und betrachtete sie. Sie erhob sich langsam, wobei ein hochnäsiger Ausdruck in ihr sonst so offenes Gesicht trat. Es war klar, dass sie ihn an diesem Nachmittag nicht warmen Herzens empfangen würde. Er versuchte, seine Enttäuschung hinunterzuschlucken.
„Ashdowne, ich sollte wahrscheinlich froh sein, dass Sie hier sind. Ich will gar nicht wissen, wie Sie mich gefunden haben. Sie haben da ja Ihre Methoden“, sagte sie mit einer Bitterkeit, die er vorher noch nie bei ihr gehört hatte. Was hatte Savonierre ihr angetan? „Sie sind ja schließlich ein Mann mit vielen Begabungen, nicht wahr?“, schloss sie.
Noch bevor er etwas auf diese seltsame Feststellung antworten konnte, wandte sie sich von ihm ab. „Ich weiß alles“, sagte sie mit einer fürchterlichen Endgültigkeit in der Stimme. „Sie brauchen gar nicht zu leugnen, dass Sie die Katze sind.“
Ashdowne
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