HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
dort sah, und hockte sich dann auf den Boden, um darunterzuschauen. Sie war sich sicher, dass sich dort niemand verstecken konnte, ohne bemerkt zu werden. Schließlich fand sie eine schmale Tür, von der sie wissen wollte, wohin sie führte.
„Zum Ankleidezimmer“, erwiderte Jeffries. „Dort gibt es keinen zweiten Ausgang.“
Georgiana betrachtete interessiert die Tür. „Wäre es möglich, dass sich da jemand vor dem Ball versteckt haben könnte?“
Jeffries schüttelte den Kopf, schien aber nicht durch ihre Frage verärgert zu sein. „Nein, die Hausmädchen sind den ganzen Tag ein- und ausgegangen, und Ihre Ladyschaft hat sich am Nachmittag darin angezogen – nehme ich jedenfalls an.“ Das murmelte er in einem Tonfall, der deutlich seine Ungeduld angesichts solcher weiblichen Beschäftigungen verriet.
Lächelnd trat Georgiana zu ihm. „Und die Fenster waren offen?“
Er nickte. „Das wurde mir gesagt.“
Georgiana schaute hinaus. Wie sie bereits angenommen hatte, konnte man den weiten Bogen eines Mauervorsprungs nicht allzu weit darunter erkennen. Als sie sich nach rechts wandte, sah sie einen weiteren, der nahe genug war, um den Fuß daraufzustellen. Sie atmete tief ein und zwang sich dazu, nach unten zu sehen. Die Tiefe ließ sie zusammenzucken.
Es war möglich, dass sich ein Mann Zutritt zu diesem Zimmer verschafft hatte, indem er von einem Vorsprung zum nächsten geklettert war. Aber wer würde sein Leben riskieren, um sich hier hereinzuschleichen? Sogleich entstand vor ihrem inneren Auge das Bild Savonierres, der gefährlich und skrupellos genug war, um es zu tun. Ein solcher Mann würde einer derartigen Gefahr ins Gesicht lachen, wenn er nicht Angst vor Höhen hätte. Sie zog den Kopf zurück und spazierte ein weiteres Mal durch das Zimmer. Auf einmal vernahm sie einen unterdrückten Fluch. Sie wandte sich um und sah, wie der Detektiv ebenfalls den Kopf zum Fenster hinaussteckte und etwas über den Dummkopf murmelte, der für ein paar Klunker sein Leben riskierte.
„Er hätte natürlich einen Haken benutzen können, um sich abzusichern. Aber es gibt keine Anzeichen dafür“, sagte Jeffries. Georgiana schüttelte den Kopf und schwieg. Sie hatte noch nicht vor, ihre eigene Theorie mit Jeffries zu teilen. Langsam ging sie zum Bett und schaute sich aufmerksam nach etwas Ungewöhnlichem um. Dann untersuchte sie vor allem den Teppich, auf dem es stand.
Georgiana vernahm zwar das stete Gemurmel von Jeffries hinter sich, doch sie achtete nicht darauf, da sie zu sehr in ihre Suche versunken war. Der Teppich war goldfarben mit einem roten und grünen Muster, das es schwierig machte, etwas, das darauf lag, zu entdecken. Wenn er auch nur eine Spur dunkler gewesen wäre, hätte sie vielleicht nicht einmal die kleinen Schmutzteilchen gesehen. Sie hob eines davon auf und untersuchte es mit den Fingern.
Es hatte nicht die gleiche Beschaffenheit wie der Staub, der sich in den letzten Tagen im Zimmer niedergelassen hatte. Auch handelte es sich nicht um die Sorte von Erde, die man im Garten finden konnte. Es war ein dunklerer, schwererer Humus. Und auf einmal erkannte Georgiana entsetzt, woher er stammte.
Obwohl sie auf dem Boden kniete, fühlte sie sich plötzlich so wackelig, als ob die Erde schwankte. Sie rang nach Atem, und ihr wurde schwindlig. Wie aus weiter Ferne vernahm sie Jeffries’ Stimme, der noch immer redete und scheinbar nichts merkte. Ihre Hände zitterten, und sie hatte auf einmal das Gefühl, in Ohnmacht fallen zu müssen. Doch dann breitete sich ein Schmerz in ihr aus, der sie wieder zu Sinnen brachte.
Dieser Schmerz gab ihr die Kraft, sich zu erheben. Sie hielt noch immer das winzige Stück Erde zwischen den Fingern. Es erschien ihr wie ein Beweisstück für einen Betrug. Das war kein gewöhnliches Stückchen Schmutz. Es stammte aus dem Übertopf mit der gewaltigen Staudenpflanze, den sie in jener Nacht auf dem Ball umgeworfen hatte. Es war dieselbe Erde, die sie zwischen den Falten ihres Kleides entdeckt und mit der sie die elegante Weste eines Gastes beschmutzt hatte.
Es stammte von Ashdowne.
15. KAPITEL
Georgiana kämpfte gegen die Tränen an, als ihr klar wurde, dass ihr eigener Assistent, der Mann, den sie liebte, der Dieb und wahrscheinlich die Katze war. Dennoch schaffte sie es, ihre Überprüfung des Tatorts fortzusetzen. Zum Glück gab es nur noch wenig von Interesse. Sie tat sowieso bloß so, als suchte sie weiter; in Wirklichkeit sah sie nur noch Ashdownes Betrug vor
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