HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Wolfs Augen auf grausamste Weise ermordet worden, ebenso fast ihre ganze Gefolgschaft. Von allen Mitreisenden waren nur Wolf und ein junger Knappe namens Hugh Dryden mit dem Leben davongekommen.
Überdies hatte es Philip – im Falle, dass der Überfall fehlschlüge – geschafft, Bartholomew Colston und seinen Sohn John mit einem versuchten Mordanschlag auf König Heinrich IV. in Verbindung zu bringen. Philip hatte sehr gründlich dafür gesorgt, den Namen seines Onkels zu entehren. Hätten Bartholomew Colston und seine Söhne den Angriff überlebt, so wären sie gewiss in England geächtet worden.
Philip und sein ebenfalls verräterischer Vater Clarence hatten keine Ahnung, dass jemand dem Überfall auf dem Festland entkommen war. Soviel sie wussten, waren alle aus Bartholomews Gefolge vernichtet worden. Aber Wolf hatte nicht nur den Überfall überlebt; um ihn zu schützen und ihm den Vorteil der Überraschung zu sichern, wenn er bereit war, zurückzukehren und Philip zu entmachten, war auch seine wahre Identität all die Jahre geheim gehalten worden.
Wolf war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er die Gegenwart einer weiteren Person in seiner Nähe erst nach einer ganzen Weile bemerkte. Als er den Blick in Richtung des nebelverhangenen Sees schweifen ließ, glaubte er, im Mondlicht seinen Augen nicht trauen zu können. Den Tiefen des Sees entstieg eine Jungfrau, genau wie in den Märchen, die er als Kind gehört hatte. Sein Ärger und seine Bitterkeit waren sofort wie weggeblasen.
Die Haut der Maid schimmerte im fahlen Licht, und ihr Haar schien, als sie es löste, wie aus feinster goldener Seide gesponnen. Die Nacht war kühl, und Wolf glaubte fast sehen zu können, wie die Gänsehaut über ihren Körper kroch. Die Spitzen ihrer wohlgeformten Brüste hatten sich jedenfalls schon aufgestellt, und Wolf verlangte es unbändig danach, ihre Haut zu berühren.
Sein Blick glitt an ihr entlang; ihm gefielen ihre schönen Beine, ihre Hüften und die schlanke Taille, während sie aus dem See auf ihn zukam, ohne ihn zu bemerken. Es verschlug ihm fast den Atem, als sie im knöcheltiefen Wasser stehen blieb und sich dehnte, indem sie den Kopf in den Nacken warf und die Hände nach dem Mond ausstreckte.
Ihr Gesicht war ihm abgewandt, aber Wolf konnte es sich leicht vorstellen. Er erhob sich wie in Trance, blieb gebannt von ihr stehen und ließ ihre weichen, sanften Gesichtszüge vor seinem geistigen Auge erscheinen.
Die Elfe entstieg dem Wasser und ging zu ihrem Kleiderbündel, das abseits vom Ufer lag. Sie begann sich abzutrocknen; als die unirdische Schönheit jedoch plötzlich Schritte hinter sich vernahm, riss sie mit einer heftigen Bewegung ihren langen Umhang an sich, warf ihn hastig um und bedeckte sich so gut, wie es ihr unter den gegebenen Umständen möglich war.
„Sir, Ihr verletzt die Regeln des Anstands!“, brach es erschreckt aus Kathryn hervor, als sie ihn sah. Der Mann kam so schnell auf sie zu, dass sie keine Möglichkeit mehr hatte, sich hinunterzubeugen und den in ihren Kleidern versteckten Dolch zu fassen. Sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht darauf lenken, dass sie eine Waffe besaß. Es ist besser, höflich zu sein und die Gelegenheit abzuwarten, das Messer ohne Kampf an mich zu bringen, dachte sie.
„Ich zögere, mich zu entschuldigen“, sagte er, noch immer außerstande, ihr Antlitz zu sehen, dank der Kapuze, die sie sich weit ins Gesicht gezogen hatte. „Bis vor einigen Augenblicken ahnte ich nichts von Eurer Gegenwart, aber ich kann nicht leugnen, dass ich den Anblick, den Ihr mir botet, genossen habe.“
„Gänzlich ohne mein Wissen!“
„Euch ist kalt.“
„Was der Mensch nicht alles weiß!“, murmelte sie vor sich hin, als er noch näher kam.
Kathryn wollte sich nicht durch seine Größe einschüchtern lassen. Sie wusste, dass er sie in Blitzesschnelle überwältigen konnte. Wenn ich doch nur an das Messer herankommen könnte, dachte sie. Aber sie wagte es nicht, sich danach zu bücken, aus Angst, dass er sie umstoßen würde und sie ihm dann schutzlos ausgeliefert wäre.
Sie musste fort von hier, doch der dunkelhaarige Mann hatte offensichtlich nicht die Absicht, sie gehen zu lassen. Vielleicht sollte sie versuchen, einfach davonzulaufen. Sie war schnell und kannte die Waldwege gut. Ein Mann von seiner Größe würde möglicherweise langsam sein; aber was, wenn sie sich irrte? Wenn er sie einholte? Und das Cottage entdeckte, ihren einzigen Zufluchtsort im Wald? Sie
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