HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
könnte keinesfalls den ganzen Weg zur Burg nur mit ihrem Umhang bekleidet zurücklaufen. Die Gefolgsleute ihres Stiefvaters würden sicherlich …
„Wo wohnt Ihr?“ Seine Stimme klang sanft. „Es ist hier draußen nicht sicher für eine Dame, so allein. Meine Männer lagern in der Nähe. Und ich würde meine Hand nicht für ihre Anständigkeit ins Feuer legen, wenn sie in der Dunkelheit allein auf ein junges Mädchen träfen.“
Gütiger Gott, er war ein Edelmann. Kathryn seufzte vor Erleichterung und schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. Die Ritterlichkeit gebot es ihm, ihr die gebührende Ehrerbietung zu erweisen. „Habt Dank für Eure Bemühungen, Sir“, sagte sie beruhigt. Eine Änderung der Vorgehensweise war vonnöten. Wenn sie sich honigsüßer Worte bediente, so wie es ihre Stiefschwestern immer taten, dann konnte sie ihn vielleicht dazu bringen, sich zu entfernen. „Ich werde nur rasch meine Sachen zusammensuchen und mich auf den Weg machen …“
„Wo ist Euer Zuhause?“
„Nicht weit.“ Sie ließ ihre Stimme so süß klingen, wie sie nur irgend konnte.
„Ich kann es Euch nicht erlauben, unbegleitet zu gehen. Gefahren lauern in der Nacht, Mistress.“
Kathryn wollte den Mann vor Wut anschreien, hielt jedoch ihr Temperament im Zaum. „Bitte, Sir, wenn Ihr mir erlaubt, meine Kleider zu nehmen, dann dürft Ihr mich zu meinem Haus geleiten“, sagte sie schmeichelnd.
Ritterlichkeit schön und gut, doch wer konnte voraussehen, wie ein Fremder sich verhalten würde? Sogar Lord Somers, ihr eigener Stiefvater, war ihr gegenüber gemein und brutal. Kathryn hätte beinahe laut aufgestöhnt, als der Ritter sich bückte und alle ihre Habseligkeiten auf einmal aufhob. Nun würde sie den Dolch nie in die Hände bekommen. Vermutlich wäre es ihr auch nicht möglich, ihm davonzulaufen, schon gar nicht ohne ihre Schuhe. Nein, sie konnte sehen, dass er sich für einen Mann seiner Größe sehr gewandt bewegte.
„Ihr verwirrt mich“, sagte er.
„Oh?“ Kathryn wandte sich ab und versuchte, auf dem Weg zur Hütte ihre Ruhe wiederzufinden.
„Als ich Euch zuerst erblickte, dachte ich, Ihr wärt eine der sagenumwobenen Nymphen.“ Schwang ein Anflug von Belustigung in seiner Stimme mit? „Jetzt vermute ich eher, dass Ihr aus Fleisch und Blut seid. Dennoch zeigt Ihr wenig Furcht vor mir. Warum?“
Wenn er wüsste, dass sie gerade nach einer Möglichkeit suchte, an ihr Messer zu gelangen, um ihm die Klinge zwischen die Rippen zu stoßen. „Natürlich bin ich vorsichtig, Sir. Ich erkenne nur zu gut, wie schutzlos ich bin. Es bereitet mir Unbehagen, auf Euer Gespür für Anstand und Ritterlichkeit angewiesen zu sein. Ich hoffe bei Gott, dass Ihr mir nichts anzutun gedenkt.“ Wenn ihre Stiefschwestern sie jetzt sehen könnten, würden sie sich vor Lachen biegen.
Das Cottage war schon fast in Sicht, doch für den Recken in der finsteren Nacht vermutlich schwer zu erkennen, da es von einem Dickicht aus Bäumen umgeben war. Ihre Stiefmutter hatte es angeblich für die Familie bauen lassen, doch Kathryn wusste, dass sie es zu anderen Zwecken nutzte. Glücklicherweise war Lady Edith heute Nacht nicht mit einem ihrer Liebhaber dort. Es könnte Kathryn also gelingen, hineinzuschlüpfen, die Tür zu verriegeln und im Warmen zu warten, bis der Ritter draußen endlich verschwunden war.
„Hier sind wir, Sir.“ Kathryn hielt an und drehte sich ihrem Begleiter zu, um ihn aus seinen Pflichten zu entlassen, aber der Mann schien den Fingerzeig nicht zu verstehen. „Meine … meine Mutter erwartet mich“, log sie.
Er kam auf sie zu; und obwohl Kathryn sein Gesicht in der Dunkelheit nicht richtig erkennen konnte, spürte sie, dass er sie aufmerksam ansah. Sie fühlte sich höchst unbehaglich dabei, so genau betrachtet zu werden, ausgerechnet von dem Menschen, der sie gerade beim Baden beobachtet hatte. Es war ausgesprochen unziemlich.
„S…sie ist krank, wisst Ihr … und … nun, sie wird sich große Sorgen machen, wenn …“
„Wer seid Ihr?“ Seine Stimme war sanft wie eine zärtliche Berührung. Er kam dichter heran. Seine Nähe war berauschend. Kathryns Mund wurde trocken. Obwohl der Ritter groß war, hatte sie plötzlich keine Angst mehr vor ihm. Eine ihr fremde Neugier erfüllte sie, als sie sich eingestand, dass noch nie zuvor ein Mann sie auf diese Weise beeindruckt hatte, wie er es tat. „Ich … ähm …“
Noch bevor sie antworten konnte, ließ er ihre Kleider fallen, die er getragen hatte,
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