HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
nicht erlauben.“
Bei diesem Angriff starrte er sie wütend an. Er öffnete seinen Mund zu einer Erwiderung, doch die kleine Frau brachte ihn mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen, bevor er etwas sagen konnte.
„Oh, Alayna hat mich angefleht, es noch einmal zu überdenken. Sogar Eurice stimmt ihr zu, und Lady Mellyssand, die ich in letzter Zeit sehr schätzen gelernt habe, spricht nur lobend über Euch. Doch ich konnte bisher keine der zahlreichen Tugenden an Euch entdecken, von denen sie so gerne schwärmen. Ich nehme an, Ihr habt Eure Verderbtheit von Eurer Mutter geerbt. Ja, ich habe es zu meinem Anliegen gemacht, möglichst viel über Euch und Eure Familie in Erfahrung zu bringen. Es ist bedauerlich, dass Ihr nicht mehr Eurem Vater ähnelt, denn von ihm habe ich nur Gutes gehört. Doch Ihr scheint das gewissenlose Leben Eurer Mutter zu führen.“
Die unbestreitbare Wahrheit ihrer Worte legte sich wie Frost auf seine Seele. Seine Gedanken schwirrten wild durcheinander, und die Erkenntnis traf ihn wie ein plötzlicher Blitzschlag.
Er benahm sich tatsächlich genau wie seine Mutter.
Trotz seiner entsetzten Miene kannte Veronica jedoch keine Gnade. „Ich weiß, dass Ihr als Junge Schreckliches durchgemacht habt, aber nun seid Ihr ein Mann und könnt Eure eigenen Entscheidungen treffen. Ich hege keine Bewunderung für rücksichtslose und brutale Männer wie Euch.“
Was für ein Mann war er? Sein Vater, ein guter Mensch von nobler Gesinnung, wäre entsetzt gewesen, was aus ihm geworden war.
Ein Stich fuhr durch sein Herz, und er begann am ganzen Körper zu zittern.
Veronica bemerkte seine Veränderung offenbar nicht. „Es ist nicht gut für Alayna, wenn sie ihr Herz an einen Mann hängt, der Frauen hasst. Was für ein Unglück, dass sie ausgerechnet Euch mit ihren zarten Gefühlen bedacht hat. Nur aus diesem Grund habe ich mir die ganze Zeit über angesehen, wie schrecklich sie gelitten hat – weil sie mir sagte, dass sie Euch liebte. Für diese Liebe gibt es keine Hoffnung, aber ich bete, dass sie ihren Schmerz im Laufe der Zeit vergessen wird, und mit dem Segen des Herrn wird sie wieder lieben. Ich werde sicherstellen, dass ihr nächster Gemahl ein guter Mann ist, obwohl sie sich wie immer über meine Einmischung heftig empören wird …“
Lucien nahm Veronicas Stimme kaum noch wahr, während sein ganzes Weltbild in sich zusammenstürzte. Schließlich beherrschte ihn nur noch ein Gedanke.
Sie hatte ihre Mutter gebeten, bei ihm bleiben zu dürfen. Sie hatte von Liebe gesprochen. Wie konnte sie ihn nur immer noch wollen, nach allem, was er ihr angetan hatte? Und hatte er sich nicht stets gewünscht, dass sie ihn in seiner verfluchten Einsamkeit allein ließ?
Aber sie liebte ihn.
Warum hatte er es nicht begriffen? Obwohl sie die Worte niemals ausgesprochen hatte, zeigte alles an ihrem Verhalten, dass es der Wahrheit entsprach. Geduldig hatte sie gewartet, bis seine Wut abklingen würde, und selbst als er sie in seinem Schmerz ständig verletzt und gedemütigt hatte, hatte sie sich nicht von ihm abgewandt. Sie hatte ihn gedrängt, ja sogar angefleht, endlich Frieden mit seiner Vergangenheit zu schließen, während er sich töricht an seine alten Überzeugungen geklammert hatte. Das Einzige, was er nicht gesehen hatte, lag klar und deutlich vor seinen Augen.
Er hatte niemals den Narren für eine Frau spielen wollen. Dennoch war er ein größerer Narr, als er sich jemals vorgestellt hatte.
Plötzlich war er mit derselben Verachtung für sich selbst erfüllt, die ihm Veronica so offen zeigte. Ein erstickter Laut entrang sich seiner Kehle, und er kniete langsam vor ihr nieder.
Erstaunt verstummte Lady Veronica, als er ihre schlanken Finger ergriff und sie mit seinen großen Händen umschloss.
„Ihr tut recht daran, mich zu verurteilen“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich habe es nicht gesehen. Ich konnte nur an meine Vergangenheit denken, an meine Familie.“ Er hob ihr sein Gesicht entgegen. „Aber so einfach ist es nicht. Und es ist nicht leicht. Jemanden zu hassen ist nicht schwer. Aber Liebe … zu lieben ist die schwerste Aufgabe, die sich mir jemals gestellt hat.“
Er sah die Überraschung in ihren Augen. „Ja, ich liebe Eure Tochter“, fuhr er fort. „Es sollte die Tage eines Mannes mit Freude erfüllen, wenn ihm eine solche Liebe wie diese gewährt wird. Für eine Weile waren wir auch glücklich. Aber Ihr hattet recht mit dem, was Ihr über meine Mutter sagtet.“ Wie
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