HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
ein Possenreißer wie du mich demütigen könnte.“
Nun war sie zu weit gegangen, das wusste sie. Er wird es wagen, dachte sie, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Er wird mich schlagen. Endlich wird er den letzten Schritt unternehmen, mich völlig zu beschämen, und sei es auch hier vor den Augen aller. Dann soll es so sein. Er wird mich für immer verlieren.
Dennoch erhob er nicht die Hand gegen sie. Agravar, der das ganze Geschehen aufmerksam beobachtet hatte, erhob sich langsam von seinem Stuhl. Er stand nahe bei Lucien, und zum ersten Mal sah Alayna, wie sich das Gesicht des Wikingers vor Wut verzerrte. Das musste der schreckliche Ausdruck sein, den die Feinde des nordischen Kriegers in einer Schlacht zu sehen bekamen. Für einen Augenblick glaubte sie, dass sein Zorn auf sie selbst gerichtet war. Doch dann bemerkte sie, dass seine zusammengekniffenen Augen auf Lucien gerichtet waren. Die großen, schwieligen Hände des Riesen ballten sich zu Fäusten, als wolle er seinen Freund schlagen.
„Ich warte, Gemahl“, flüsterte sie. Er stand jedoch weiterhin reglos vor ihr.
Plötzlich wirbelte er herum und stürmte ohne ein weiteres Wort aus der Halle. Alayna machte eine Bewegung, als wolle sie ihm folgen.
„Alayna Eustacia!“ Lady Veronica sprang auf ihre Füße und packte Alaynas Arme. Indem sie ihre Tochter zu sich herumdrehte, zwang sie Alayna, ihr in die Augen zu sehen.
Alayna befreite sich jedoch aus ihrem Griff. „Bitte, Mutter, nicht jetzt!“ Sie verließ den Tisch und lief ihrem Gatten nach. Obwohl sie wütend, ängstlich und verzweifelt war, musste sie diese Sache ein für alle Mal beenden. Dieser schreckliche Zustand verlorener Hoffnung und Enttäuschung hatte lange genug gedauert. Doch bevor sie die Tür erreichte, zog ihre Mutter noch einmal an ihr.
„Wage es ja nicht, ihm wie ein törichtes Mädchen hinterherzulaufen, ohne jede Würde!“
„Mutter, mische dich nicht ein. Ich muss endlich eine Entscheidung herbeiführen, sei es nun zum Guten oder Schlechten. Bitte, geh zur Seite, sonst sehe ich ihn nicht mehr!“
„Lass ihn gehen. Er ist ein niederträchtiger, unberechenbarer Rüpel! Komm mit mir nach Hause, und wir werden diese Angelegenheit von London aus regeln.“
„Hör mich bitte an. Selbst damals, als wir uns noch nicht so gut verstanden – wir stritten und zankten bei jeder Gelegenheit – verhielt er sich niemals so merkwürdig. Ich weiß, dass irgendein schreckliches Erlebnis aus seiner Vergangenheit seine Seele belastet. Er will nicht zulassen, dass ich ihm helfe, aber Mutter – was wir gemeinsam hatten, war wundervoll! Es war eine einzigartige Liebe, die ich wahrscheinlich niemals wieder finden werde. Ich werde um sie kämpfen, und selbst wenn ich gegen dich, ihn und Henrys gesamte Armee antreten muss.“
„Warum bestehst du so halsstarrig auf die Verbindung mit diesem Mann? Er ist ein Barbar, ein Wilder! Es hat Wochen gedauert bis zu seiner Rückkehr, und nur um deinetwillen habe ich Geduld gezeigt. Ich weiß, dass du ihn zu lieben glaubst. Aber, mein geliebtes Kind, er weiß die Zuneigung nicht zu schätzen, die du ihm entgegenbringst. Er wird sich niemals ändern, auch wenn er es einmal getan hat, was ich jedoch stark bezweifle.“
„Ich will kein Wort mehr gegen ihn hören!“, rief Alayna ärgerlich. Langsam war sie es leid, an jeder Front kämpfen zu müssen. Im Augenblick weilten ihre Gedanken jedoch bei Lucien. „Ich weiß sehr gut, welchen Eindruck du haben musst. Aber ich habe jetzt einfach keine Zeit, dich zu besänftigen. Ich muss Lucien suchen.“
Obwohl sie es hasste, sich so zu trennen, ließ sie ihre Mutter einfach stehen. Dann eilte sie in die Richtung, in die sie ihren Gemahl zuletzt verschwinden gesehen hatte. Sie erhaschte einen Blick auf ihn, wie er gerade die Treppe zum Turm emporstieg. Schnell folgte sie ihm, während sie zwei Stufen auf einmal nahm.
Sie fand ihn auf dem Wehrgang, wo er sich gegen die Mauer lehnte und auf seine Ländereien hinunterblickte.
„Das hast du wirklich gut zustande gebracht, Gemahl“, bemerkte sie sarkastisch. „Wie klug von dir, dich vor aller Augen zu einem vollständigen Narren zu machen. Dazu kommt natürlich noch meine Demütigung, die du mir im Gegenzug angedeihen lässt, aber das ist ja nichts Neues. Darin bist du wahrhaft großartig. Zum Glück lebt mein Vater nicht mehr, sonst hätte er sein Schwert gezogen und dich auf der Stelle erschlagen, nachdem du mich so beleidigt hast.“
Er schnaufte
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