HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
waren.
„Das könnt Ihr, Mylords. Es wird allerdings etwas Zeit in Anspruch nehmen, die Pferde wieder einzufangen. Ich habe sie im Wald losgemacht für den Fall, dass einer von Euch so töricht sein sollte und versuchen würde, mir zu folgen.“
„Ihr …“, begann Tregarrick wütend, besann sich dann aber eines Besseren und verließ eilends die Hütte, unmittelbar gefolgt von den anderen.
Sie ist schlau, verdammt schlau, dachte der Earl, als er sich etwa eine Minute, nachdem die Frau die Hütte verlassen hatte, vorsichtig von dem Dachboden herabgleiten ließ. Der Geruch ihres Parfums lag noch in der Luft. Es war ein warmer, weiblicher Duft, würzig und sinnlich. Doch er passte nicht zu ihr. Sie war kalt und skrupellos und hatte nichts Weibliches an sich.
Eng an die feuchte Steinwand neben dem schmalen, glaslosen Fenster gepresst beobachtete Heywood, wie die Frau die mondbeschienene Lichtung überquerte. Ihr grauer Wallach war an einem umgestürzten Baum festgebunden. Ungeschickt erkletterte die Fremde den Baumstumpf, denn ihre weiten Röcke behinderten ihre Bewegungen. Als sie die Zügel von einem Ast löste und dem Pferd über den Kopf warf, bewegte sich der Wallach unruhig hin und her und scheute schließlich sogar, als sie einen Fuß in den Steigbügel setzte. Einen Augenblick lang hing die Frau halb in der Luft. Dabei wurden lächerlich elegante Seidenschuhe sichtbar, mehr geeignet für einen Maskenball denn für einen nächtlichen Ausritt. Heywood verzog den Mund. Sie schien genauso eitel wie grausam zu sein.
„Dummes Vieh!“ Die Unbekannte fluchte laut und klammerte sich an die Mähne, während sich das Pferd wie wild im Kreise drehte.
Nur nicht so kaltschnäuzig, dachte der Earl mit einem grimmigen Lächeln, als es ihr endlich gelungen war, sich aufrecht in den Sattel zu setzen, und sie dem Tier im selben Augenblick kräftig die Hacken in die Flanken stieß. „Armer Kerl“, murmelte Heywood. Schlau mochte sie ja sein, aber sie war alles andere als eine gute Reiterin. Vorsichtig zog er sich vom Fenster zurück, als der Graue in einen ungleichmäßigen Galopp verfiel und zwischen den Bäumen verschwand.
Als sich Heywood wieder zum Tisch vortastete, entdeckte er neben dem Kerzenstumpf den kleinen Lederbeutel. Glück muss der Mensch haben! Mehr brauchte er fürs Erste nicht. Angestrengt lauschte er nach draußen, ehe er durch die Tür schlüpfte.
Die vier Männer machten Lärm wie ein ganzes Regiment. Sie fluchten und schimpften laut, während sie im Wald über Äste stiegen und durch Dornbüsche krochen. Dabei war es leicht, unbemerkt wegzukommen.
Heywood pfiff leise, und einen Augenblick später trottete seine kastanienbraune Stute gehorsam hinter den Bäumen am anderen Ende der Lichtung hervor, während sich ein unansehnlicher gescheckter Jagdhund von seinem Versteck unter einem Busch von Adlerfarn erhob.
„Los, Tumbler, jetzt zeig, dass du beim Aufspüren eines Verräters genauso gut bist wie bei unseren Spielen im Walde.“ Der Earl hielt ihm den Beutel an die feuchte Nase. Eine Zeitlang beschnüffelte der Hund das Leder und begann dann, in immer größer werdenden Kreisen nach der Spur dieses Geruches zu suchen. Als das Tier plötzlich ein leises Winseln von sich gab, schwang sich der Earl in den Sattel und lächelte zufrieden. Mehr als einmal war er verspottet worden, weil er sich einen Hund hielt, der weder bellen konnte noch ein einigermaßen angenehmes Äußeres hatte. Aber Tumblers Nase machte alle diese Nachteile vollauf wett, und insbesondere heute war seine fehlende Stimme von ungeheurem Vorteil. Denn das Letzte, was Heywood jetzt gebrauchen konnte, war der Verdacht der Fremden, dass man sie verfolgte.
Wie üblich enttäuschte der Hund ihn auch diesmal nicht. Etwa eine Stunde später hielt Heywood sein Pferd vor den Ställen des Gasthofes zur Rose an und betrachtete den grauen Wallach, der zufrieden auf einer nicht unbeträchtlichen Portion Heu herumkaute.
„Eine Witwe, sagt Ihr? Ich könnte schwören, dass es das Pferd meiner Schwester ist“, bemerkte Heywood zu dem Kutscher neben ihm. „Könnt Ihr die Frau beschreiben, der der Graue gehört? Wie heißt sie?“
„Das weiß ich nicht, Mylord.“ Der Mann zuckte bedauernd die Schulter. „Es war nur die Zofe, die mich vorgestern angemietet hat. Sie hat mir den Namen ihrer Herrin nicht gesagt, und es stand mir ja auch nicht zu, danach zu fragen, solange sie mich ordnungsgemäß bezahlten.“
„Ja, ja, natürlich …“ Der
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