HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Bündel im Arm und ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Barhäuptig und mit zerzausten Haaren wirkte er ohne seine übliche elegante Aufmachung beinahe romantisch, als er auf ein lobendes Wort zu warten schien. Und sie hatte ihn dafür gehasst, hatte ihn gehasst, weil er ihr Herz anrührte – und weil es ihr nicht gleichgültig war, was er von ihr dachte.
„Nach dem Aufruhr, den du heute morgen wegen dieses Stromers verursacht hast, hättest du dich wenigstens ein bisschen freundlicher bedanken können“, fuhr Lady Katherine fort. „Der Earl hätte Besseres verdient gehabt als dieses kühle Dankeschön. Es wird mir immer mehr zum Rätsel, warum er so lange hierbleibt. In den letzten Tagen hast du dich ständig widerborstiger aufgeführt, je größere Höflichkeit er selbst an den Tag legte. Eben noch hast du ihn überhaupt nicht beachtet, und im nächsten Augenblick bist um ihn herumstolziert wie eine Kurtisane!“ Lady Katherine verzog missbilligend den Mund. „Selbst deinem Vater ist es schon aufgefallen! Möchtest du über die ganze Familie, über unseren guten Namen Schande bringen?“
„Nein, natürlich nicht …“, begann Seraphina ausweichend.
„So habe ich also dein Wort, dass du dieser Komödie ein Ende setzt?“ Lady Katherine ergriff die sich bietende Gelegenheit.
„Welche Komödie?“, fragte Seraphina nach einer kurzen Pause, während der sie ein nicht vorhandenes Stäubchen von ihrem schwarzen Seidenkleid klopfte.
„Glaubst du, ich habe meine fünf Sinne nicht beisammen?“, erwiderte Lady Katherine erbost. „Du weißt genauso gut wie ich, dass ich von deiner Aufmachung und deinem Betragen in den vergangenen zwei Wochen rede. Du magst Heywood doch, also warum benimmst du dich so? Warum behandelst du ihn so …“
„Ich mag ihn überhaupt nicht!“ Ihre Heftigkeit überraschte nicht nur Seraphina selbst, sondern auch den schlafenden Welpen, der aufschreckte und sie ängstlich ansah. Sie streichelte ihn mechanisch, bis er sich wieder beruhigte, und wich dabei dem Blick ihrer Mutter aus.
„Gott verleihe mir Geduld!“ Diesem Stoßgebet fehlte ganz offensichtlich die erflehte Gemütsart. „Ich bin deine Mutter, und du kannst mich meinetwegen als solche für eine Tyrannin halten, aber ich bin auch eine Frau. Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, wie du ihn ansiehst, wenn du dich unbeobachtet glaubst? Oder dass du wie eine verbrühte Katze hochfährst, wenn bei Tisch sein Ärmel deine Hand streift? Und wenn du deinen lächerlichen Entschluss, ihn zu verabscheuen, einmal vergisst, dann lachst du wie früher, bevor Sherard …“ Sie unterbrach ihre Rede, als die Tür geöffnet wurde und ihr Gemahl, ihr Bruder und der Earl eintraten.
„Mylords …“ Lady Katherine eilte geschäftig auf sie zu. „Kommt und nehmt Platz am Feuer. Du setzt dich auf diesen Stuhl, Tom, und Henry auf die Polsterbank. Da der Earl die jüngsten Knochen hat, wird er wohl nichts dagegen haben, die Kissen vor dem Kamin mit Seraphina zu teilen.“
„Selbstverständlich nicht.“ Der Earl lächelte kaum merklich, als er den Blick auffing, den Seraphina ihrer Mutter zuwarf, während sie sich erhob. Sie konnte es nicht ertragen, Heywood so nahe zu sein, nicht jetzt, da ihre Gefühle so durcheinander geraten waren.
„Ihr könnt den Platz allein haben“, sagte sie und neigte sich über das schläfrige Hündchen. „Es ist Zeit, dass Thorn wieder etwas Milch bekommt.“
„Dazu würde ich nicht raten“, bemerkte der Earl beiläufig. „Wenn Ihr ihn jetzt so gut füttert, nachdem er seit gestern überhaupt nichts bekommen hat, wird er bestimmt krank werden.“
„Richard hat völlig recht. Wo hast du nur deine Gedanken, Mädchen?“, ereiferte sich der Onkel von der anderen Seite des Kamins her. „Bestimmt nicht bei dem Hund, ich wette.“ Er zwinkerte ihr lachend zu, ehe er ihre Eltern in ein Gespräch verwickelte.
Seraphinas Versuch zu entkommen, war also fehlgeschlagen. Sie setzte sich wieder hin und zog ihre Röcke eng an sich, um genug Platz für Heywood zu lassen. Als das Kissen in ihrem Rücken plötzlich nachgab, schrak sie empor. Der Earl hatte seinen Arm darauf gelegt, und der Gedanke, dass bereits eine winzige Bewegung genügen würde, um ihn zu berühren, war ihr nahezu unerträglich. Seit dem Tag seiner Ankunft hatte Heywood sie nicht wieder berührt außer bei den formellen Begrüßungen. Aber sie hatte dennoch jeden noch so flüchtigen Kontakt vermerkt, sei es, dass ihre Röcke ihn im
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