HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
sollte?“
„Was ist denn ein Ketzer anderes als ein Mensch, der Gott in einer anderen Form verehrt, als es die herrschende Regel vorschreibt?“ Der Zweifel in seinem Ton hatte sie zu dieser fürwitzigen Antwort herausgefordert.
„Eine gefährliche Philosophie, wenn man das Glaubensdogma unserer Königin bedenkt“, sagte der Earl langsam und beobachtete angestrengt Seraphinas Miene.
„Aber wohl kaum eine ungewöhnliche unter meinen Zeitgenossen, vermute ich“, versetzte diese. „Zuerst hatten wir König Heinrichs Reformen, dann König Edwards Protestantismus und nun …“, sie zögerte, „… nun verlangt Königin Mary, dass wir alle wieder Papisten werden. Ich wundere mich immer aufs Neue, dass irgendjemand sich seines Glaubens so sicher sein und Menschen auf den Scheiterhaufen schicken kann wegen keines anderen Verbrechens als der Bevorzugung des einen Gebetbuches vor dem anderen.“ Seraphina unterbrach sich, als sie gewahr wurde, dass der Earl sie eigentümlich anstarrte. Edmund hatte ihr oft genug gesagt, dass es einer Frau nicht anstand, ihre Meinung zu solchen Fragen zu äußern, und zweifellos war Heywood derselben Meinung.
„So geht es mir auch.“ Diese ungezwungene Zustimmung verwirrte sie. „Ich habe den Feuertod schon immer für eine barbarische Strafe gehalten, selbst für Verrat.“
„Verrat?“ Seraphina blickte Heywood bestürzt an. Wieso sprach er plötzlich über Verrat? Dieses Thema vermied jeder Mensch von Verstand. „Ich glaube, die Axt oder der Strang sind Strafe genug, nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren natürlich“, stieß sie hervor, „das leider nur zu oft nicht vonstatten geht.“
„Nun, Fairness ist kein Wesenszug, auf dem man bei einem Mitglied des Hauses Tudor hoffen sollte.“ Heywood dämpfte die Stimme. „Und auch nicht auf Gnade. Dessen solltet Ihr immer eingedenk sein.“
Angst zog wie ein eisiger Schauer über Seraphinas Rücken. Es war beinahe, als habe der Earl sie warnen wollen. Doch was hatte sie mit Verrat zu schaffen?
„Heiliger Strohsack, Richard!“ Die vergnügte Stimme des Onkels war eine willkommene Unterbrechung ihrer ungewöhnlichen Unterhaltung. „Seit wann spricht ein Mann, der um ein Mädchen freit, von Verrat und Religion? Wenn dir kein besserer Gesprächsstoff einfällt, dann komm her und lass uns den Würfelbecher in Bewegung setzen.“
„Das werde ich tun, Tom“, erwiderte der Earl ruhig. „Und Euch, Mylady, bitte ich um Verzeihung, falls meine Unterhaltung Euch missfallen hat.“
„Wie sollte sie?“ Seraphina blickte ihren Onkel an. „Onkel, der Earl ist unser Gast. Du wirst doch nicht die Würfel von Ralph benutzen?“
„Ralph Fenton? Dann passen wir ja gut zusammen. Meine hat er auch hergestellt!“
„Eure auch?“, rief Seraphina. „Gibt es denn niemanden bei Hofe, der ehrliche Würfel benutzt?“
„Niemanden!“ Der Earl lachte. „Aber bei Hofe ist ja auch niemand ehrlich.“
„Sieh nicht so entsetzt aus, Mädchen“, rief der Onkel, „sondern hol uns lieber noch etwas von dem guten Rotspon.“
Seraphina seufzte leise. Ihre Augen brannten von der Wimperntusche, und ihre Haut war starr und wie ausgetrocknet. Sie hasste Schminke und wünschte, sie könnte hinausgehen und alles abwaschen. Wie lange muss ich wohl diese Maskerade aushalten? überlegte sie bedrückt. Man schrieb heute den 18. November. Der Earl hielt sich bereits die zweite Woche in Mayfield auf und zeigte keinerlei Neigung, demnächst abzureisen.
Gedankenverloren streichelte sie die seidigen Ohren des jungen Jagdhundes, der schnarchend neben ihr lag, wunschlos glücklich, den kleinen Bauch mit Milch gefüllt.
„Du bist ein beneidenswertes Geschöpf“, murmelte Seraphina, mehr zu sich selbst.
„Und du ein undankbares!“ Lady Katherine war eingetreten und ließ sich in ihrem Lieblingsstuhl nieder. „Kannst du mir einen anderen Mann benennen, der Stunden damit verbringt, mit seinen eigenen Händen einen albernen kleinen Welpen aus einem Kaninchenbau auszugraben, nur um dir eine Freude zu machen?“
„Nein, ich glaube nicht“, erwiderte ihre Tochter zögernd.
Bei ihrem Morgenritt hatte sie das Winseln des jungen Hundes gehört und war entsetzt gewesen, als sowohl ihr Vater als auch ihr Onkel erklärten, man könne nichts für das Tier tun. Der Earl hatte dazu geschwiegen, und sie hatte ihn deshalb für gefühllos gehalten. Doch ein paar Stunden später war er vor ihr erschienen, über und über mit Erde bedeckt, ein zappelndes
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