HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
einfach, doch von höchster Qualität. Polierte Eiche und Eibenholz glänzten im Schein der Sonne, die durch je zwei schmale Fenster fiel. Auf dem Fußboden lagen türkische Teppich, schwere Gobelins bedeckten die Wände, und um das lodernde Feuer im Kamin standen Lehnstühle. Papiere und Bücher, in geprägtes und gepunztes Leder gebunden, waren ordentlich auf einem Schreibtisch aufgestapelt neben gespitzten Federn und einem Tintenfass. An einem Haken in der Wand hing eine Gitarre über einem Cembalo, auf dem einige Notenblätter, zur Hälfte mit Notenschrift bedeckt, lagen. In einer Ecke war ein Rapier mit einer Damaszener Klinge nachlässig an die Wand gelehnt.
Bess folgte dem Blick ihrer Herrin. „In der Küche haben sie mir erzählt“, flüsterte sie, „dass er ein ebenso guter Fechter wie Liebhaber ist.“
„Pssst!“, zischte Seraphina mit hochroten Wangen, als der Earl den Kopf nach ihr wandte. „Du solltest jetzt den Korb zu Dickon bringen“, fügte sie lauter hinzu.
„John wird dir tragen helfen.“ Heywood winkte dem Diener zu, Bess zu folgen.
„Ich bin nicht lange weg, Mylady“, sagte Bess mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Earl.
Heywood lachte, als sich die Tür hinter beiden geschlossen hatte. „Ist sie immer so besorgt um Euch?“
„Immer.“ Als sie nun allein mit dem Earl im Zimmer war, fühlte sich Seraphina plötzlich befangen und unsicher. Sie ging zum Cembalo und nahm ein Notenblatt mit dem Anfang eines Madrigals in die Hand. Dabei fiel ihr Blick auf ein Spielzeugpferdchen mit ausgerissenem Schwanz auf dem Fußboden. In dem so gepflegten und ordentlichen Raum wirkte es fehl am Platze.
„Es gehört meinem Sohn.“ Seraphina schrak zusammen, als Heywoods Stimme unerwartet hinter ihr ertönte. Er bückte sich und legte das Spielzeug auf den Kaminsims. „Ich habe versprochen, es in Ordnung bringen zu lassen, bis er wiederkommt.“
„Euer Sohn? Mein Onkel sagte, Eure Gemahlin sei im Kindbett gestorben …“
„So ist es. Doch das Kind überlebte.“
„Das wusste ich nicht“, sagte Seraphina verlegen, während sie versuchte, sich mit der Tatsache, dass sie nicht nur einen Ehemann, sondern auch einen Stiefsohn bekommen würde, vertraut zu machen. „Wie alt ist er?“
„Robert? Nächsten Sommer wird er drei Jahre, so Gott will …“ Seine Hand ruhte auf dem Pferdchen, während er sprach, so als könne er sich nicht von ihm trennen.
„Ich will mein Bestes tun, um ihm eine gute Mutter zu sein“, sagte Seraphina leise, als sie Heywoods nachdenkliche Miene bemerkte. „Werde ich ihn bald kennenlernen?“
„Nein.“ Der raue Ton erstickte jedwede weitere Frage in ihr. „Er verbringt die meiste Zeit mit seiner Kinderfrau auf dem Lande. Es wird nicht nötig sein, dass Ihr Euch um ihn kümmert.“
„Warum?“ Seraphina war bestürzt. „Wenn ich gut genug bin, Eure Frau zu werden, so bin ich doch wohl auch gut genug, um Euern Sohn zu versorgen. Ich versichere, dass ich sehr lieb zu ihm sein werde.“
„Daran zweifle ich nicht im Geringsten.“
„Nun denn, in Gottes Namen, warum soll ich also nicht Mutterstelle an ihm vertreten?“
„Weil ich ihn nicht unnötig belasten will. Er wird Euch vielleicht lieb gewinnen, und wenn dann …“ Um ein Haar hätte Heywood gesagt: wenn dann unsere Ehe beendet ist. Er räusperte sich umständlich. „Er wird sich aufregen, wenn er auf dem Lande zurückbleiben muss und Ihr mit mir an den Hof geht. Ich denke, es wird besser sein, wenn er sich zunächst noch nicht an Euch gewöhnt.“
„Meint Ihr das wirklich?“
„Ich wünsche jetzt nicht weiter darüber zu reden.“ In diesen Worten lag eine unmissverständliche Warnung.
„Aber ich!“ Seraphina schluckte die Widerworte, die ihr auf den Lippen lagen, hinunter. Das Kind war sein Sohn, nicht der ihre. Sie hatte kein Recht, sich in seine Erziehung zu mischen – aber sie hatte ebenso wenig die Absicht, den kleinen Jungen zu der Überzeugung gelangen zu lassen, dass seine Stiefmutter sich nicht um ihn kümmerte, selbst wenn der eigene Vater sich mehr seinen ehrgeizigen Ambitionen widmete als der Sorge um sein Kind. Wie auch immer, sie würde ihren Gemahl überreden, den Jungen ihrer Sorgfalt anzuvertrauen. Als Seraphina bemerkte, dass der Earl sie prüfend betrachtete, senkte sie die Lider. „Wie Ihr wünscht, Mylord. Es ist Euer Sohn, und Ihr wisst zweifelsohne, was das Beste für ihn ist.“
Zu ihrer Überraschung lachte Heywood plötzlich auf und schüttelte den Kopf.
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