HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Blick auf das Kind, und die Erkenntnis der Wahrheit erstickte das kleine Hoffnungsfünkchen. Der Junge war sein Sohn! Sie beobachtete, wie Heywood in die Knie sank und den Kleinen in seine Arme schloss.
„Bist du verletzt, Robert?“ Er hob das Kind empor und küsste sein rundes Gesichtchen. Die Liebe und Sorge in seinem Blick rührten Seraphina.
„Bitte, sagt, dass alles in Ordnung ist!“ Das war Grace’ Stimme. „Es ist alles meine Schuld. Ich habe ihn nur einen Augenblick aus den Augen gelassen.“
„Es fehlt ihm nichts“, erwiderte der Earl schroff und wandte dann den Blick an dem Jungen vorbei zu Seraphina. „Aber ich fürchte, Lady Sherard hat eine Blessur davongetragen. Mary, würdet Ihr Robert zurück zu seiner Kinderfrau bringen? Mistress Morrison wird Euch zeigen, wo Ihr sie finden könnt.“
„Selbstverständlich.“ Mary beeilte sich, ihm den Jungen abzunehmen.
„Aber ich kann doch Seraphina nicht allein lassen“, widersprach Grace, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Sie steht mir so nahe wie eine Schwester.“
„Um Lady Sherard werde ich mich kümmern.“ Heywood brachte sie mit einem kurzen Blick zum Schweigen. „Bitte, Lady Sidney wartet.“
Grace schaute auf Seraphina und machte eine hilflose Handbewegung. „Ich sehe dann noch nach dir, so schnell wie ich kann.“
Scheinheilige! hätte ihr Seraphina am liebsten ins Gesicht geschrien.
„Lady wieder mit mir spielen?“, fragte Robert sehnsüchtig und wies auf Seraphina, als Mary ihn in ihren Armen wegtragen wollte.
„Sei nicht so töricht! Das war kein Spiel, dummes Kind!“, sagte Grace tadelnd. „Um ein Haar hättest du dich und Lady Sherard umgebracht!“
Roberts Unterlippe begann zu zucken.
„Bald … spielen …“ Irgendwie gelang es Seraphina, diese Worte zu formen und den Hauch eines Lächelns auf ihre Lippen zu bringen.
„Ja! Auf Wiedersehen, Lady!“, rief Robert und ließ sich nun zufrieden zu seiner Kinderfrau bringen.
„Das war sehr freundlich.“ Der Earl ließ sich neben Seraphina wieder auf die Knie nieder. „Doch Ihr solltet jetzt lieber nicht sprechen. Es sei denn, Ihr wollt mir sagen, wo Ihr verletzt seid.“
Sie schaute wortlos in sein braungebranntes, scharfgeschnittenes Gesicht. Verletzt? Oh, ja, sie war verletzt! Aber nicht in der Art, die er im Sinne hatte. Warum hatte Heywood ihr nicht gesagt, dass sein Sohn in Whitehall war? Wohl weil er ihn lieber der Obhut von Grace anvertrauen wollte als der ihren.
„Seraphina! Wo seid Ihr verletzt? Sagt es mir!“ Seine Stimme war scharf, beinahe ungeduldig, so schien es ihr.
„Nicht … verletzt … nur ein bisschen … außer Atem“, krächzte sie und bemühte sich emporzukommen. Sie blinzelte heftig, um ihre Umgebung wahrzunehmen, denn der Earl verschwamm plötzlich vor ihren Augen, und die Balustrade um den Turnierplatz schien heftiger zu schwanken als die Reling einer Galeere auf hoher See.
„Nun, ich denke, mehr als nur ein bisschen.“ Heywood nahm Seraphina auf seine Arme und erhob sich.
Mit einem Gefühl tiefer Erleichterung ließ sie den Kopf an seine Schulter sinken. Er hatte sie schon einmal so getragen, aber wann? Ihre Sinne waren noch etwas getrübt von dem Schreck, sodass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte. Sie wusste nur noch, dass sie in Sicherheit gewesen war, als er sie so hielt, und dass sie zu ihm gehört hatte. Aber das stimmte ja nicht. Sie gehörte nicht zu ihm, denn er wollte sie doch gar nicht. Er wollte Grace. Ob Grace dasselbe fühlte, wenn er sie so in seinen Armen hielt? Dieser Gedanke durchschnitt sie wie mit Messern.
„Habe ich Euch wehgetan?“, fragte der Earl besorgt, als er spürte, wie Seraphina zusammenzuckte.
„Soll ich nach dem Wundarzt schicken?“ Robin Dudleys Stimme erklang ganz dicht neben ihnen.
„Nein …“, stöhnte Seraphina abwehrend. „Nein … ich … hasse … jeden Medikus … sind nur …“
„Kein Wundarzt, ich verspreche es“, beruhigte sie der Earl. „Aber vielleicht berichtest du der Königin, was vorgefallen ist, Robin. Sie wird wissen wollen, was sich abgespielt hat.“
„Gewiss. Ich wünsche Euch eine schnelle Genesung, Mylady.“
„Und nun, Mylady“, Heywood blickte lächelnd auf Seraphina hinab, „werden wir in wenigen Augenblicken an meinem Zelt angelangt sein, und dort könnt Ihr Euch ausruhen. Die Schmerzen werden dann schnell vergehen.“
Das werden sie nicht! Das werden sie nicht! Seraphina hätte ihm diese Worte am liebsten ins Gesicht
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