HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
ihrer bevorstehenden Hochzeit in Erinnerung kam. Hatte sie etwa gefürchtet, sie würde nun nicht mehr beachtet?
Seraphina reckte sich steif empor und spielte an dem reich verzierten, mit Diamanten und Rubinen besetzten Verlobungsring, den Heywood ihr an den Finger gesteckt hatte. Sein Ring, den sie mit so viel geheimem Stolz getragen hatte! Lieber Gott, wie hatte sie nur so naiv sein können, so voller törichter, kindischer Träume?
„Seraphina, was ist los mit Euch? Ihr seht plötzlich so blass aus!“ Mary berührte Seraphinas Arm und durchforschte besorgt ihr Antlitz.
„Überhaupt nichts“, erwiderte Seraphina und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Ich bin nur nicht an die vielen langen Nächte gewöhnt und an die unzähligen Vergnügungen Tag für Tag.“
„Seid Ihr da sicher?“ Mary schien nicht so recht überzeugt zu sein. „Soll ich Euch nicht lieber auf Euer Zimmer zurückbringen?“
„Nein, nein, danke.“ Seraphina schüttelte den Kopf. „Kommt dort nicht die Königin?“ Hastig benutzte sie die Gelegenheit, das Thema zu wechseln, als Herolde in der in Rot und Gold gehaltenen Livree des Königshauses die Fanfaren bliesen. Und für einen Augenblick vergaß sie all ihren Kummer, als Elizabeth den blauen Teppich entlang schwebte, den man vom Palast bis zu ihrem Sitz auf dem Podest ausgelegt hatte. Sie war in glänzenden schneeweißen Brokat gekleidet, und in ihr goldrotes Haar, das ihr bis zur Taille herabhing, waren Edelsteine geflochten, die in der Wintersonne glitzerten und glühten. Es schien, als wäre die Königin einer alten Legende wieder auferstanden. Selbst bejahrte Höflinge und solche, die ansonsten Hohn und Spott über alles ausgossen, neigten sich ehrfürchtig wie das Korn vor der Sense des Schnitters, als Elizabeth lächelnd und nickend an ihnen vorüberschritt.
„Sie sieht wahrhaft majestätisch aus. Man könnte denken, sie sei ein Leben lang Königin gewesen“, sagte Seraphina zu Mary, als sie sich aus ihrer Verneigung wieder aufrichteten.
„Ich glaube, im Geiste war sie das auch“, erwiderte Mary nachdenklich. „Man sagt, Tom Seymour sei der Einzige gewesen, der sie beinahe dazu gebracht hätte, ihre Berufung zu vergessen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so töricht gewesen sein soll, sich zu verlieben“, sagte Seraphina langsam.
„Nein, ich auch nicht.“ Mary blickte etwas trübsinnig drein, während ihr Blick noch immer auf die strahlende Gestalt der Königin gerichtet war. „Aber ich fürchte, es wird immer wieder Männer geben, die die Hoffnung hegen, ihr Herz gewinnen zu können. Ich sage Robin ständig aufs Neue, er soll nicht vergessen, dass sie eine Tudor und die Tochter Heinrichs VIII. ist. Aber ich fürchte, er hört mir gar nicht zu …“
Ein zweiter Fanfarenstoß übertönte ihre Worte, als die Königin die Stufen zum Podest emporstieg. Sie hielt eine durchsichtige Schärpe in Weiß und Gold in die Höhe, senkte sie dann plötzlich wieder, und ein Herold blies einen Tusch. Das war das Signal für den Beginn des Ritterspieles.
„Jetzt fangen sie an“, flüsterte Mary, nachdem die Königin auf einem mit purpurroten Samtkissen bedeckten Thronsessel Platz genommen hatte. „Schaut an das Ende der Schranken. Dort werdet Ihr bald Euern Bräutigam entdecken.“
Meinen Bräutigam und Mistress Morrisons Liebhaber, dachte Seraphina verbittert, und verbiss die scharfe Antwort, die ihr auf der Zunge lag. Niemand sollte wissen, wie tief verletzt sie war … niemand. Die Lippen fest zusammengepresst, starrte sie auf das erste Paar der ritterlichen Kämpfer.
Als die Schildknappen die Zügel freigaben, drängten die Pferde nach vorn und fielen sofort in einen leichten Galopp. Die Reiter senkten ihre Lanzen und richteten sie auf den Gegner. Und nun konnte Seraphina auch sehen, wie hinter Lord Knollys am Ende der Schranken Heywood mit Robin Dudley aus einem Zeltpavillon trat. Aus der Ferne wirkten sie fast wie Zwillinge, denn sie waren bis auf den Zoll gleich groß. Beide trugen gepolsterte Westen aus Leder, über die sie jetzt mit Hilfe der Knappen ihre Rüstungen zu befestigen begannen. Obwohl die Männer zu weit entfernt waren, um ihre Gesichtszüge erkennen zu können, wusste Seraphina doch sofort, welcher von ihnen der Earl war. Robin Dudley bewegte sich mit bewusster Eleganz und Zielstrebigkeit, aber Heywood hatte die mühelose, geschmeidige Grazie einer Raubkatze. Sie lachten, trieben allerlei Unfug und schlugen sich gegenseitig mit den
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