HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
auf den Diwan zurücksinken und beobachtete, wie der Earl den klobigen Brustharnisch ablegte und das steife, gepolsterte Wams. Die Anstrengung, die mit dem schnellen Lauf in der schweren Rüstung verbunden gewesen war, hatte ihn in Schweiß geraten lassen, sodass das feine Leinenhemd an seinem Körper klebte und auf diese Weise die Kraft seiner Schultern ebenso hervorhob wie seine schlanke Taille. Seraphina wurde plötzlich von einer merkwürdigen Schwäche ergriffen, die offensichtlich nichts zu tun hatte mit ihrer Verletzung oder mit dem überstandenen Schrecken. Willenlos folgte ihr Blick Heywood, als er zum Tisch ging und etwas Aquavite aus einer geschliffenen Glasflasche in eine silberne Schale goss. Dann riss er von einem Hemd, das achtlos zusammen mit einem Sattel über einen Schemel geworfen worden war, einen Streifen ab.
„Es wird ein bisschen brennen“, warnte er, als er sich auf den Rand des Diwans setzte. „Und ich muss Euer Gewand ein Stück öffnen, damit der Ärmel nicht noch mehr auseinander reißt. Habt Ihr etwas dagegen?“
„Nein.“ Seraphina versuchte, kühl und gelassen zu erscheinen, während sie sich aufrichtete und Heywood den Rücken zuwandte.
Mit flinken und gewandten Fingern lockerte er die Verschnürung am oberen Ende des Mieders.
„Ihr scheint sehr geübt zu sein.“ Seraphina konnte diese Bemerkung nicht unterdrücken, denn die prickelnde Spannung in ihrem Körper machte sie übermäßig erregbar.
Der Earl hielt für einen Augenblick inne. „Zweifellos – oder hattet Ihr etwas anderes erwartet?“
Obwohl Seraphina es nicht sehen konnte, erkannte sie doch am Klang seiner Stimme, dass er lächelte.
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie rau, als Heywood das Gewand vorsichtig über ihre Schultern schob.
„Zum Teufel!“
Sein entsetzter Fluch überraschte Seraphina, bis sie sich daran erinnerte, dass man auf ihrem Rücken immer noch die letzten Überreste der Striemen und Blutergüsse entdecken konnte.
„Wer war das?“ Heywoods Stimme war schärfer als das Skalpell eines Chirurgus.
„Mein verstorbener Gemahl“, erwiderte Seraphina tonlos und fühlte sich zutiefst beschämt.
„So so.“
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Seraphina, wie Heywood sich niederbeugte, um den Leinenstreifen in die Flüssigkeit zu tauchen, denn er hatte die Schale vor sich auf den Zeltboden gestellt. Was dachte er wohl jetzt? Glaubte er etwa, Edmund habe guten Grund gehabt, sie zu schlagen? Sie musste das unbedingt wissen. „Wollt Ihr …“ Sie zuckte zusammen, als er das Leinen mit der brennenden Flüssigkeit auf die Wunde drückte. „Wollt Ihr mich nicht fragen, warum?“
„Nur, wenn Ihr selbst es mir zu erzählen wünscht.“ Der Earl fuhr fort, die Schramme auszuwaschen. „Für mich kann es dafür ohnehin keine ausreichende Entschuldigung geben. Kein anständiger Mann würde so mit einer Frau umgehen, was immer ihr vermeintliches Vergehen gewesen sein mag. Es gab Zeiten, da war ich nahe daran, Lettice zu schlagen, aber ich habe es dennoch niemals getan. Und ich werde das Euch ebenfalls nicht antun.“
„Es gibt auch noch andere Arten, einen Menschen zu verletzen.“ Fast ohne ihren Willen sprach Seraphina ihre Gedanken aus.
„Das braucht Ihr mir nicht zu sagen!“ Er lachte bitter. „Lettice kannte sie alle.“
„War das die Schule, in die Ihr gegangen seid?“, fragte Seraphina mit heiserer Stimme.
„Ich wollte Euch niemals verletzen, glaubt es mir.“ Heywoods Hand lag auf ihrer Schulter, warm und schwer, beinahe zärtlich.
„Warum habt Ihr dann Euern Sohn von mir ferngehalten?“ Seraphina drehte sich impulsiv zu ihm um, ohne dabei zu bedenken, dass ihr Gewand bis auf die Hüften herabhing und das weit ausgeschnittene Hemd aus reiner Seide, das sie auf der bloßen Haut trug, kaum ihre Brüste verhüllte. „Ihr habt mir nicht einmal gesagt, dass er sich in Whitehall aufhält!“
Der Earl verbarg seinen Blick unter den gesenkten Wimpern. „Ich habe Euch bereits gesagt, dass es das Beste für ihn ist, wenn er sich nicht zu sehr an Euch gewöhnt.“
„Zu sehr an mich gewöhnt!“ Seraphina starrte ihn ungläubig an. „Ich werde seine Stiefmutter! Und dennoch vertraut Ihr ihn lieber Grace an als mir!“
„Das habe ich nicht getan“, knirschte Heywood zornig. „Mistress Morrison traf Robert mit seiner Kinderfrau und erbot sich, ihn an einen Platz mitzunehmen, von dem aus er eine bessere Sicht hatte. Sie ist die Letzte, der ich Robert anvertrauen
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